: Eine vernagelte Geschichte
■ Vom Nazigemälde hinter der Bühnenrückwand des alten Oldenburger Landtags
Alles fing mit einem Nagel an. Den wollte eine Tanzgruppe in die Sperrholz-Rückwand der Bühne im alten Oldenburger Landtagsgebäude schlagen, um daran ein Requisit zu befestigen. Der Hammer war schon erhoben, als der Hausmeister dazwischen sprang. In die Sperrholzwand dürfe nichts geschlagen werden, die Sperrholzwand sei nämlich gar keine Sperrholzwand, sondern die Rückseite eines riesigen Gemäldes aus der Nazizeit. Die Tänzer verstanden „Hitlergemälde“, erzählten die Geschichte in einer Oldenburger Kneipe weiter, und so gelangte sie schließlich - Briefkasten der stillen Post - an den taz-Redakteur.
Überspanner
Im Landtag residiert heute die Bezirksregierung Weser-Ems. Und dort ist Dr. von Kries für den Festsaal verantwortlich. Aber von einem Hitlergemälde an der Bühnenrückwand hat ihm nie
mand erzählt, seit er vor elf Jahren nach Oldenburg kam. Kein Wunder, denn die Aktennotiz, die Aufklärung bringt, ist schon 13 Jahre alt.
„Das Gemälde wurde fotografisch dokumentiert und großflächig überspannt“, heißt es dort in einem Bericht über die Grundrenovierung des klassizistischen Gebäudes. Aber ein Hitlerbild war es nicht. 1938 hatte Jan Oeltjen vielmehr eine „scheußlich monumentale Landschaft“ direkt auf die Saalwand gemalt, wie sich Augenzeugen erinnern. Übermaler
Nach Kriegsbeginn waren von anderer Hand in die scheußliche Landschaft zu allem Überfluß auch noch marschierende Soldaten mit Hakenkreuzbinden hineingemalt worden. Die englische Besatzung sorgte später dafür, daß die Nazi-Binden übertüncht wurden. Und 1978 verschwand dann das ganze Bild unter einem bespannten Holzgerüst.
Vernagelt
„Wenn das Theater anfängt, da
Nägel reinzukloppen, geht die Samtbespannung kaputt“, erklärt sich Dr. von Kries das Eingreifen des Hausmeisters. Zwar gehöre auch das Gemälde „als Zeitdokument irgendwie zum geschützten Bereich“ des historischen Gebäudes, „es ist aber wohl für absehbare Zeit nicht mehr mit unserem Geschmack in Einklang zu bringen.“ Deshalb ist die Oldenburger Geschichte heute vernagelt, gleichzeitig aber vor Nägeln geschützt.
Ase
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