: Thatcher kam bei Wahlen glimpflich davon
Kommunalwahlen in Großbritannien brachten erhebliche Verluste für die Konservativen / Thatchers Ergebnis jedoch viel besser als vorausgesagt / Poll Tax im Meinungsmittelpunkt / Labour-Chef Kinnock verlor seinen Wahlbezirk ■ Von Ralf Sotscheck
Dublin (taz) - Die britische Premierministerin Margaret Thatcher ist noch einmal vom Haken gesprungen. Zwar erlitten die Konservativen bei den Kommunalwahlen am Donnerstag deutliche Verluste, doch fiel das Ergebnis bei weitem nicht so schlecht aus, wie ihnen bei Meinungsumfragen prophezeit worden war. In London, wo ein Achtel der Wahlberechtigten lebt, konnten die Torys sogar Sitze hinzugewinnen.
Besonders peinlich für die Labour-Party war der Verlust von Parteichef Neil Kinnocks Bezirk Ealing an die Konservativen. Landesweit machte die Labour Party jedoch das Rennen um die 5.000 Ratssitze. Sie konnte ihr Ergebnis von 1986 um 300 Sitze verbessern - vor allem auf Kosten der Konservativen, die 200 Sitze verloren.
Die Demoskopen hatten den Torys Stimmverluste von 20 Prozent vorausgesagt. Tatsächlich waren es jedoch nur elf Prozent. Umweltminister Chris Patten sprach denn auch von dem „Massaker, das nicht stattgefunden hat“. Thatcher, die am Wahltag ihr elfjähriges Amtsjubiläum feierte, sieht in dem Wahlergebnis eine „gute Grundlage für die nächste Parlamentswahl“ in zwei Jahren. Die innerparteilichen Diskussionen um ihre Position dürften dank des glimpflichen Resultats vorerst beendet sein. Die Labour Party forderte sie zwar gestern zum Rücktritt auf, doch Experten wiesen noch in der Wahlnacht darauf hin, daß der Opposition mit einer Stärkung Thatchers in der eigenen Partei eher gedient sei, als mit ihrem Sturz noch in diesem Sommer. Ein Wechsel an der Tory-Spitze würde die Aufgabe der Labour Party bei den Parlamentswahlen erschweren. Laut einer Meinungsumfrage, die gestern im „Daily Telegraph“ veröffentlicht wurde, sind nur noch 23 Prozent der WählerInnen mit der „Eisernen Lady“ zufrieden. So tief war keiner ihrer Vorgänger gesunken.
Im Mittelpunkt des Wahlkampfs stand die unpopuläre Kopfsteuer, die in Schottland bereits seit einem Jahr erhoben wird und im April auch in England und Wales eingeführt wurde. Diese Steuer wird von den Gemeinden festgelegt und ist unabhängig vom Einkommen. Die Konservativen hatten behauptet, daß von der Labour Party kontrollierte Gemeinden verschwenderisch seien und höhere Steuern erheben müßten. Jedoch blieb dort der Labour-Sieg aus und Thatcher jubelte: „Die Öffentlichkeit versteht jetzt das Prinzip der Gemeindeabgaben.“ Der Tory-Vorsitzende Kenneth Baker hatte für die EinwohnerInnen von Bradford nur Mitleid übrig: „Die Leute werden leiden. Sie werden jetzt heftig zur Kasse gebeten. Das ist es, was Sozialismus bedeutet.“
Die Liberalen kamen bei den Kommunalwahlen auf knapp 20 Prozent der Stimmen und hoffen weiterhin, ein Zweiparteiensystem verhindern zu können. Für die Grünen verliefen die Wahlen enttäuschend. Sie landeten bei etwa 7,5 Prozent. Auch die Labour Party kann mit ihrem Abschneiden nicht zufrieden sein. Zwar hätte sie eine deutliche Mehrheit, wenn man das Stimmverhalten auf eine Parlamentswahl überträgt, doch in Anbetracht der wirtschaftlichen Schwierigkeiten Großbritanniens hatte sie auf ein besseres Resultat gehofft. Die Inflationsrate wird an diesem Wochenende auf zehn Prozent steigen, und eine weitere Erhöhung der Zinsen erscheint nicht ausgeschlossen.
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