: Bremens Preis für die Einheit
■ Wedemeier: DDR-Aufbau mit Krediten finanzieren / Hoffen auf Finanzausgleich
Wenn die DDR-Finanzierungspläne von Bundesfinanzminister Theo Waigel Wirklichkeit werden, ist Bremen pleite. Das fürchten zumindest Bremens Finanzsenator Claus Grobecker und Bürgermeister Klaus Wedemeier. Dann müßte nämlich das kleinste und ziemlich verarmte Bundesland Bremen künftig auf einen beachtlichen Teil seiner Einnahmen verzichten.
In einer Sitzung der Finanzminister von Bund und Ländern am 20. April hatte Waigel den Vorschlag unterbreitet, daß die Länder zu einem Drittel am Aufbau der DDR beteiligt werden sollen. Dies ist zwar für den Bremer Senat grundsätzlich akzeptabel, der Teufel aber steckt im Detail. Waigel nämlich möchte den Ländern erstens weniger Anteile von der Umsatzsteuer überweisen, zweitens die Mischfinanzierung zum Beispiel im Straßenbau vermindern und drittens die Bundesergänzungszuweisungen abbauen. Folge: Die Einnahmen im Bremer
Landeshaushalt würden sinken. Wedemeier gestern vor der Landespressekonferrenz zu den Konsequenzen: „Wenn wir uns bar beteiligen sollen, dann heißt das mehr Kredite, oder eine Einschränkung der Leistungen, zum Beispiel bei den Kindergärten. Beides scheidet aus.“
Zusammen mit den Kollegen FinanzministerInnen aus den anderen Ländern schlagen die Bremer deshalb eine andere Form der Finanzierung vor, einen von Bund und Ländern gemeinsam verwalteten Fonds, der aus Krediten gespeist wird. Während beim Waigelmodell allein 1991 aus dem Bremer Haushalt 260 Millionen zugeschossen werden müßten, wäre die Spitzenbelastung bei der Kreditfinanzierung im Jahre 1995 mit höchstens 80 Millionen erheblich geringer.
Froh sind Wedemeier und Grobecker, daß Überlegungen, den Länderfinanzausgleich auf die DDR auszudehnen, offensichtlich vom Tisch seien. Trotz der
Diskussion um die Finanzierung der „Aufbaulasten“ erhoffen sich die Bremer nach wie vor mehr Geld von den wohlhabenden Bundesländern. Wobei ohne den Fall der Mauer Bremens Finanzsenator heute vielleicht schon ein glücklicheres Gesicht machen würde. Denn vor dem 9. November, so verriet Grobecker gestern, seien die Verhandlungen ein gutes Stück vorangekommen. Sein zuständiger Referent Hans-Ernst Böttcher: „Es ist damals ernsthaft darüber diskutiert worden, Bremen mit fünf bis sieben Milliarden Mark zu entlasten.“ In Anbetracht der damaligen Bereitschaft, Bremen unter die Arme zu greifen, soll die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht auch aufrecht erhalten bleiben. Mit einer Entscheidung rechnet Grobecker spätestens 1991. Die Frage der DDR-Finanzierung wird dann allerdings längst geklärt sein. Wedemeier zum Zeitplan: „Wir müssen spätestens im Sommer fertig sein.“
hbk
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