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Profil eines Gescheiterten

■ Archäologie einer Erinnerung, SWF, 20.15 Uhr

Armer Herakles. Berühmt war er einst wegen seiner zwölf Heldentaten. Aber ach, zuviel des Guten. Wer mag heute noch davon hören, vom Kampf gegen die Hydra oder vom Höllenhund Zerberus. Und den Augiasstall ausmisten wollen doch nur noch Lokalpolitiker, wenn sie - humanistische Bildung vorheuchelnd - den Gegner im Wahlkampf in die Pfanne hauen. Würde man sie fragen, was Herakles dort im Stall eigentlich an Heldentaten vollbracht habe, sie wüßten es nicht. Ach, welche Momente der Schmach für einen Gott wie Herakles. (Halbgott! d.S.) Protzende Kraftmenschen hocken heutzutagte höchstens noch in den Folterkellern, genannt Fitneßcenter, und ertränken ihren Kummer im Multivitamindrink - mit Muskeln bepackt, aber deprimiert, denn draußen müssen sie ihre Kraft unter Stoff verstecken.

Nein, nein, keine Angst, die Leistungsgesellschaft hat nicht abgedankt, aber Erfolg drückt sich nun subtiler aus; die Helden dieser Tage imponieren nicht in ihren Taten, sondern durch die Nonchalance, wie sie über vollbrachte Erfolge hinweggehen können - bereit für die nächste Anstrengung. Schlechte Zeiten für Herakles also, jedenfalls im Olymp der neuen Götter, die über verschwitzte Hau-Ruck -Typen nicht mal mehr ein Lächeln übrig haben.

Der Regisseur und Künstler Lutz Dammbeck gibt seinem Herakles das Profil eines Gescheiterten. „Die Abwesenheit eines festen Bildes des Gottes ist seine Macht“, heißt es einmal im Off-Kommentar. Nicht im Zeitalter der Videovisionen. Die Macht des Gottes ist antastbar. Indem Lutz Dammbeck die fiktive Biographie des Herakles ins 20. Jahrhundert verlegt und verbildlicht, nimmt er der Heldenlegende jede Magie. Das Medium als gnadenlose Entmystifizierungs-Apparatur. Seine Werkzeuge: die Kamera, die über düstere Fluren und Treppen huscht und mit jedem eingefangenen Helligkeitswert das Licht der Erkenntnis verbreitet. Die Projektion, geworfen auf alle nur denkbaren Leinwände, die geeignet scheinen, zur Rekonstruktion der Figur Herakles beizutragen. Und die Schere. Sie zerschneidet den Traum vom alten Herakles, schnipp, schnapp, weg ist der Heroismus, zerschnipselt in tausend Puzzleteile, aus denen sich ein moderner Held zusammensetzen läßt.

Das alles ist sehr experimentell, intelligent, bildhaft und deshalb ungeeignet für unsere öffentlich-rechtlichen Spielstätten und wie geschaffen für Alexander Kluges Kulturmagazin Ten to Eleven. Wären da nicht noch ein paar der umstrittenen, aber immerhin vorhandenen Sendeplätze wie Experimente im Südwestfunk. Der Titel der Reihe sorgt zwar dafür, daß jeder Normalfernsehverdauer schon beim Lesen der Programmzeitschrift schwere Kost befürchtet und wegknipst, aber anders läßt sich derartiges wohl nicht mehr im Programm unterbringen. Vermutlich sitzen in den Programmkoordinierungsausschüssen Helden der modernen Art: nur nicht auffallen, dann kann man nicht reinfallen.

Christof Boy

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