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FAP-Führer ging in den Untergrund

Göttingen (taz) - Nur zwei Minuten dauerte der erste Verhandlungstag im Strafprozeß gegen den südniedersächsischen Neonaziführer Thorsten Heise, dann mußte das Verfahren vor dem Göttinger Landgericht auf unbestimmte Zeit vertagt werden. Der 21jährige Angeklagte, dem die Staatsanwaltschaft unter anderem die versuchte Tötung eines Asylbewerbers vorwirft, war nicht erschienen. Statt dessen hatte Rechtsanwalt Kunze, „Republikaner„ -Funktionär aus Uslar, einen Brief seines Mandanten mitgebracht. In dem Schreiben heißt es wörtlich: „Ich muß leider absagen, und es betrübt mich sehr, diesen Schritt gehen zu müssen. Aber ich wurde von der Staatsanwaltschaft gezwungen, in den Untergrund abzutauchen. Ich werde den politischen und gewaltfreien Kampf aus dem Untergrund heraus weiter in das Volk tragen.“ Heise ist Landesvorsitzender der rechtsextremistischen Freiheitlich-Deutschen Arbeiterpartei (FAP). Bei fast allen neonazistischen Aktionen in der Region, so dem wiederholten Angriffen auf ein Göttinger Jugendzentrum, den Überfällen auf Ausländer und den Schüssen auf Polizeibeamte, war er aktiv beteiligt. Im Mai 1989 hatte Heise versucht, einen libanesischen Asylbewerber zu überfahren. Der Mann konnte sich zwar im letzten Moment durch einen Sprung an die Seite retten, wurde dann jedoch durch Tränengas verletzt. In dem Verfahren tritt der Libanese als Nebenkläger auf. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ das Gericht jetzt einen Haftbefehl gegen Heise. „Vielleicht finden wir ihn schon heute abend, vielleicht erst in vier Wochen“, sagte Staatsanwalt Heimgärtner. „Wir werden jedenfalls überall suchen, auch in der DDR.“

Reimar Paul

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