piwik no script img

Ein guter Rat vom Kußhändling

Der „Schöne Henri“ (Leconte) übersteht die erste Runde der „German Open“ und sorgt sich um Boris  ■  Aus Hamburg Jan Feddersen

Henri Leconte ist 27 Jahre alt und deswegen zu jeder Art von weisen Ratschlägen berechtigt. Am Montag gewann er am Hamburger Rothenbaum sein Auftaktmatch gegen den Amerikaner Todd Witsken nach mühseligen zwei Stunden mit 7:6, 2:6 und 6:2, was eine Zuschauerin zur Bemerkung animierte, es sei „mehr Sekt als Selters“ gewesen. Leconte, den die französischen Steuergesetze ins schweizerische Genf vertrieben haben, ist schließlich der Mann für die schöneren Tennisschläge, da darf er sich schon mal gefallen lassen, am faden Selterswasser gemessen zu werden. Jedenfalls: Der Kußhändling aus Genf hat sich Gedanken um das Privatleben seines Freundes Boris Becker gemacht.

Das Bobbele, das seinen Hooligans aus der Hafenstraße immer noch keine Tickets zugesteckt hat, leidet unter schweren privaten Zerrüttungen. Seit Wochen läuft er wie Falschgeld herum, trägt selbst in der Abenddämmerung noch Sonnenbrille, nur weil er den Nachstellungen der Pressegeier entgehen will. Der Grund: Seine Liaison mit der Hamburger Studentin Karen Schulz ist vorbei. Und alle wollen wissen, wer die Neue ist.

Der schöne Henri sieht dies alles mit Sorge. Und gibt dem Boris den Rat: „Er sollte mit seinen Frauenbekanntschaften sehr, sehr vorsichtig sein.“ Stand in der 'Morgenpost‘. Und die weiß immer alles. Wie wir. Und überhaupt: Leconte muß es wissen. Seine Amouren, sein Hang zu ausschweifenden Gin-Cola -Nächten in weiblicher Begleitung ist branchennotorisch bekannt. Kein Wunder, daß er binnen zweier Jahre auf Platz 74 der Weltrangliste rutschte, der Mann, der in puncto Eleganz selbst einen John McEnroe wie einen irischen Pferdepfleger aussehen läßt. Nur knapp ist Leconte der Demütigung entronnen, an der Qualifikationsrunde teilnehmen zu müssen. Ungewiß ist dennoch, ob er mehr als die zweite Runde erreicht. Möglich, daß er schon heute wie das geschmackloseste Mineralwasser spielt. Aber eine sonnenbebrillte Zuschauerin findet gerade dies reizvoll: „Ein Mann, der nicht auszurechnen ist, ist einfach superb.“

Wenn also Henri Leconte so weitermacht, wird er bald wieder nach Frankreich zurückgehen können. Im unteren Bereich wirkt sich die Steuerprogression schließlich noch nicht so schlimm aus. Dem Monegassen Becker dies Schicksal ersparen zu wollen, läßt nur einen Schluß zu: Leconte ist ein echter Grandseigneur, ein väterlicher Freund mit Hang zum savoir vivre.

Die Turnierorganisatoren jedenfalls sind zufrieden über den Verlauf der ersten beiden Tage ihres One-Million-Dollar -Events. Selbst auf den Nebenplätzen kämpfen noch Weltklassespieler um Geld und Punkte - 11.500 Zuschauer mochten sich Montag und Dienstag dies Spektakel ansehen. Eröffnet wurde inzwischen auch die Nobelattraktion schlechthin: das neue Vip-Restaurant mit Panoramablick auf den Centre Court. Alle 25 Tische - pro Stück für 20.000 Mark - sind bereits ausgebucht. Gekrönt wird damit der Ausbau der Tennisanlage am Hamburger Rothenbaum, der den Deutschen Tennis-Bund nach Angaben von Pressesprecher Jens-Peter Hecht zwischen 25 und 30 Millionen Mark gekostet hat. In acht bis zehn Jahren, so hofft man in der DTB-Beletage, seien die Kosten wieder drin.

Der nächste Happen liegt auch schon auf der Gabel: das traditionsbelastete HSV-Gelände am Rothenbaum, nur eine Busspur vom Tennispark entfernt. Dort sollen Trainingsplätze und ein Tennisinternat installiert werden - schließlich, so hofft Rothenbaumorganisator Heinz Brenner, soll in Hamburg dermaleinst ein veritables Grand-Slam-Turnier stattfinden. Vielleicht sind Karen und Boris dann ja wieder ein Paar die Sympathien der Leute aus der Hafenstraße hat sie nämlich schon lange.

1. Runde: Wöhrmann - Mancini 6:0, 6:2; Arias - Jaite 3:6, 7:5, 6:3; Aguilera - Ivanisevic 6:4, 6:1; Perez - Svensson 6:3, 3:6, 7:6; Kühnen - Champion 6:7, 6:2, 6:4; Cane Curren 7:6, 6:4; Haarhuis - Mansdorf 6:0, 6:3; Courier Gunnarsson 6:7, 6:4, 6:2; Darvin - Bergström 7:5, 6:2; Prpic - Perez-Roldan 6:0, 6:3; Filipini - Wolkow 6:2, 7:5; Leconte - Witsken 7:6, 2:6, 6:2

Frauen (Rom), 1. Runde: Kelesi - Faull 6:4, 6:1, Zrubakova McNeil 7:6, 6:2, Sloane - Byrne 6:3, 6:0, Kschwendt Wassermann 6:3, 6:2, Grossman - Ter Riet 6:4, 6:2, Gildemeister - Provis 6:2, 7:5, Golarsa - Ferrando 3:6, 7:5, 4:1 (Aufgabe); Caversazio - Jaggard 6:3, 6:1, Meskhi Reinach 6:2, 6:2; McQuillan - Kohde-Kilsch 6:2, 7:6; Faber Garrone 6:4, 6:4; Rajchrtova - Kanellopoulou 5:7, 6:4, 6:4; Capriati - Laskova 6:0, 6:3; Lapi - Temesvari 6:2, 2:1 (Aufgabe)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen