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Gläserne Rohre für Bremens Abwasser

■ Wirtschaftsenator läuft gegen neues Wassergesetz Sturm / Umweltschützern geht das Gesetz nicht weit genug

Die Sonne lacht. Die Nordsee ist bereits fünf Grad wärmer als sonst zu dieser Jahreszeit. Eine Algenpest, möglicherweise schlimmer als zuvor, wird vorausgesagt. Jetzt will das Bundesland Bremen eine Konsequenz aus der katastrophalen Umweltlage der Nordsee ziehen und mit einem neuen Wassergesetz den Schadstoffeintrag in den Boden und damit auch in die Flüsse verringern. „Ein absoluter Hit“ und „bundesweit einmalige Regelungen“ lobt Bremens Umweltsenatorin Eva-Maria Lemke-Schulte das dicke Paragraphenwerk aus ihrem Haus, mit dem die Senatorin Gewässerverschmutzern gar „Daumenschrauben anlegen“ will.

Doch ob der Entwurf wie geplant noch dieses Jahr durch Senat und Bürgerschaft geht, ist so sicher noch nicht. Denn die Handelskammer und Wirtschaftssenator Uwe Beckmeyer haben in Stellungnahmen ihren Widerstand angekündigt. Offiziell mag der Wirtschaftssenator im Moment nichts zu den Plänen der Kollegin Umweltsenatorin sagen und spielt das Papier als „Referententwurf“ herunter. Doch hinter den Kulissen wird laut gegen weitere „Investitionshemmnisse“ gewettert. Grund für die Kritik der Wirtschaftslobby: Den Betrieben in Bremen soll künftig genauer auf die Finger, genauer ins Abflußrohr geguckt werden. Denn mit dem neuen Wassergesetz führt Bremen das sogenannte „gläserne Abflußrohr“ ein. Soll

heißen: Jeder, der wissen möchte, wieviel Schadstoffe beispielsweise Daimler-Benz in das Kanalnetz schickt, kann diese Werte einsehen. Ersatzlos streichen, fordert die Handelskammer, da so Betriebgeheimnisse enthüllt werden könnten. Weitere Neuerung, die die Betriebe zu erheblichen Investitionen zwingen könnten: Ihnen soll künftig vorgeschrieben werden, daß sie durch modernste Technologie die gefährlichen Stoffe im Abwasser erheblich reduzieren. Kritik der Handelskammer: Die Unternehmen könnten zu ständigen Nachbesserungen gezwungen werden. Sprich: „Nicht kalkulierbare Kosten und Rahmenbedingungen.“

Auch dem Gewässerverschmutzer Nummer eins, der Landwirtschaft, soll mit mehreren Paragraphen das Aufbringen von Gülle und Kunstdünger schwerer gemacht werden. So kann künftig untersagt werden, in Überschwemmungsgebieten aus Wiesen weitere Äcker zu machen. Weiter wird gesetzlich untersagt, in einem Streifen von 10 Metern längs der natürlichen Gewässer Düngemittel aufzubringen. An eben diesen Regelungen haben die Umweltschützer Kritik. Michael Abendrot, der für den BUND an einer Stellungnahme mitgearbeitet hat, sieht in dem Gesetzentwurf zwar „einzelne Ansätze, die Fortschritte bringen“, vermißt aber die notwendige Konsequenz. „Da gibt es noch zuviel Ermessenspielräume und Kann-Bestimmungen.“ An

der schadstofffreien 10-Meter-Flußgrenze kritisieren die Umweltschützer, daß sie lediglich für natürliche Gewässer und nicht auch für die Vielzahl von kleinen Gräben gilt, die die Schadstoffe dann letztendlich doch in die Flüsse spülen. Abendrot: „Im Blockland beispielsweise kann so weiter Gülle aufgebracht werden. Den Schadstoffeintrag kann man so nicht reduzieren.“

Einen Teil des Gesetzes hat die Umweltbehörde bereits von sich aus ersteinmal zurückgestellt. Um zu einem schonenden Umgang mit der Ressource Wasser zu kommen, so die Pläne, sollen alldiejenigen, die direkt Grundwasser beziehen, künftig pro Kubikmeter 30 Pfennig Gebühr bezahlen. Dies würde unter anderem die Brauerei Beck kräftig treffen. Kritisiert die Handelkammer:

„Da die Gebühr im Umland von Bremen nicht erhoben wird, kommt es zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen.“ Bis zum kommenden Jahr glaubt die Umweltsenatorin, mit Unterstützung der SPD-Fraktion diese Widerstände überwunden zu haben. Schließlich hatte die SPD-Fraktion die Senatorin ausdrücklich aufgefordert, über solche Umwelt-Abgaben nachzudenken.

hbk

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