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■ Donnerstag
Ernst Jandl gibt sich heute nachmittag die Ehre und liest aus dem Fundus seiner Nonsens-Gedichte. So erfahren wir zum Beispiel endlich, wie Ottos Mops autorengerecht kotzt. Jandl überrascht jedoch sicher auch mit weniger bekannten Lautmalereien und die Fans sollten sich ab 16.30 Uhr in Reichweite des NDR 3 begeben.
Wer lieber ins verträumte 19. Jahrhundert eintaucht, kann fast zeitgleich, um 16.00 Uhr beim WDR 3 einen Blick in die bürgerlichen Salons der damals „besseren Kreise“ riskieren. Hier wurden, vor allem mit Hilfe des Pianofortes, junge Mädchen zu „einsatzfähigen“ Ehefrauen herangezogen. Daß es beim Klavierspielen natürlich nur am Rande um Kunst ging, in der Hauptsache aber ums Kapern von Ehemännern, beweisen schon die Titel der Pianostückchen. Die Palette reichte vom Mädchentraum über das Gebet einer Jungfrau bis zum Happy-End, den Hochzeitsglocken. Die Sendung Erotische Etüden oder Das Klavier im Salon gibt vor allem Auskunft über eine zähe Variante des Flirts im letzten Jahrhundert.
Alle Bildschirmmuffel und Radiofans müssen nicht mehr schmollen, denn jetzt gibt's auch für sie das Band zur friedlichen Revolution DDR '89. Mit sechsmonatigem Sicherheitsabstand werden in der heutigen Ursendung von Brandenburger Tor Konzerte - Volkes Stimmen: Demos West -Berlin Originaltonkompositionen der Ereignisse abgespielt. Dabei hat sich Autorin Marlies A. Franke auch formal am Fünferschema der Tor-Durchgänge orientiert und ihre Komposition in ebensolche Teile eingegliedert, ein Kunstgriff, der unseren HörerInnen nicht vorenthalten werden sollte. Lobenswert an dieser akustischen Koproduktion des SWF und SFB ist, daß die Ohren auch auf schräge Töne hin gespitzt werden sollen. Ganz wie wir's täglich erfahren, sind neben „Einheit“, „Gleichheit“, „Brüderlichkeit“ auch „Zwietracht“, „Gewalt“ und „Dissens“ dokumentiert. Die Sendung ist ab 21.00 Uhr auf SWF 2 zu hören.
Wer selbst „dabei war“ und sich lieber in Details vertieft, sollte ebenfalls um 21.00 Uhr zum WDR 3 schalten: Hier geht es ganz konkret um die Artisten von Babelsberg. Wenn DEFA -Regisseur Heynowski im September '89 nach 30 fetten Jahren im DDR-Mediengeschäft die Zensur verleugnete, hatte er sicher persönliche Gründe für diese Augenwischerei Tatsache ist, daß es sie gab. Doch Autor Johannes Kaiser befaßt sich nicht mit längst Gewußtem, sondern nähert sich der Frage nach Zensur und Selbstbehauptung einmal anders: Wer blieb denn, nachdem die Moskauer Kältewelle 1965 die Filmstudios erreichte? Wieviel ist dran am Mythos, daß eine Maulkorb-Situation virtuose Artisten schafft? Freitag
Die Postmoderne ist out und was kommt nu? fragt sich beklemmt der Kulturbetrieb. Wie immer in solchen Orientierungsmomenten lohnt sich ein wacher Blick über den Ozean: Detlev Reinert hat das für uns erledigt und berichtet nun im DLF um 22.15 Uhr vom Next Wave/New Music America-Festival in New York. Samstag
Der heute noch desolate Potsdamer Platz in Berlin ist bei den StädteplanerInnen wieder aufs Reißbrett gekommen. Jedoch erhoffen wir eine sensible Rekonstruktion des ehemals verkehrsreichsten Platzes in Europa. Die Verherrlichung des damals vielleicht noch anregenden Chaos als „zuckendes Gedicht in freien Worten“ (T. Marinetti, 1912) ist heute wohl bloß noch mit dem Label „kulturhistorisch interessant“ zu versehen. Rias 1 stellt für die Freunde des Potsdamer Platzes um 18.35 Uhr im Rias Abendstudio eine Aktion der italienischen Futuristen im Berlin der 10er Jahre vor.
geha
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