: Angeklagt: Die Vorbeugehaft
■ Popularklage im Freistaat soll den 14tägigen „polizeilichen Unterbindungsgewahrsam“ zu Fall bringen / Der bayerische Gesetzgeber soll seine Kompetenz überschritten haben
Berlin (taz) - Mit einer Klage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof soll jetzt im Freistaat die Vorbeugehaft verboten werden. Die Regelung zum „polizeilichen Unterbindungsgewahrsam“, wie die Vorbeugehaft im bayerischen Polizeigesetz euphemistisch getauft wurde, war im letzten Jahr gegen den erbitterten Widerstand der Oppositonsparteien SPD und Grüne von der CSU durch den Landtag gepaukt worden. Damit wurde im Rahmen des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) die gesetzliche Möglichkeit geschaffen, Personen bis zu zwei Wochen in Haft zu nehmen, wenn nach Auffassung der Polizei von ihnen eine Straftat oder eine schwerwiegende Ordnungswidrigkeit auszugehen droht.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof nannte Klägeranwalt Rudolf Riechwald am Dienstag den Artikel 16 des PAG ein „Gesetz mit Stasi -Geruch“. Für die Kläger Riechwald und Bernd Tremmel dient die bayerische Sonderregelung nämlich nur dazu, die Demonstrationsfreiheit einzuschränken.
Mit der Verschärfung des Polizeiaufgabengesetztes - von Kritikern als „Lex Wackersdorf“ bezeichnet“ - wurde neben der Dauer des Unterbindungsgewahrsams (in anderen Bundesländern sind maximal 48 Stunden erlaubt) auch der Anwendungsbereich ausgeweitet. So kann in Bayern ein Demonstrant bereits auf dem Weg zu einer Versammlung in Vorbeugehaft genommen werden, wenn er beispielsweise Flugblätter oder Transparente mit sich führt, die einen Aufruf zu einer Ordnungswidrigkeit enthalten.
Als Beweis für gesetzwidrige Absichten gilt ferner das Mitführen von Waffen, Werkzeugen oder Gegenständen, die bei Straftaten Verwendung finden könnten. Bevor die neue Regelung im PAG verabschiedet wurde, hatten führende Verfassungsrechtler in der Bundesrepublik die Absichten der bayerischen Landesregierung als verfassungswidrig bezeichnet.
Die Kläger argumentieren nun, daß der bayerische Gesetzgeber nicht befugt gewesen sei, den Unterbindungsgewahrsam auszudehnen. Festnahmen von mehreren Tagen Dauer fielen in den Bereich des Strafrechts und damit in den des Bundesgesetzgebers. Außerdem verstoße die Vorbeugehaft gegen das Übermaßverbot in der bayerischen Verfassung. Über die Klage entscheiden die Richter am 2. August.
Wolfgang Gast
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