: Beikrautregulierung, Öko-Landbau, Bioläden
■ Wenige Individualisten setzen sich für ökologische Landwirtschaft in der DDR ein / Sie gründeten schon 1989 die GÄA-Arbeitsgemeinschaft, die seitdem unter dem Dach der Kirche arbeitete / Auch die Bio-Freaks kooperieren mit ihren bundesdeutschen Gleichgesinnten
Dresden (taz) - Wenige Individualisten versuchten schon seit Jahren, auch in der DDR neue Wege im Landbau zu beschreiten. Das sind vor allem sogenannte Nebenerwerbsbauern mit oft weniger als 1 ha Ackerland, aber auch einige private Betriebe, wie Gärtnereien, Baumschulen oder der einzige große biologisch-dynamisch bewirtschaftete Hof in der DDR, der Betrieb Marienhöhe bei Bad Saarow (etwa 50 ha Ackerland). Einige haben nun angefangen, in ihren Gärten biologisch zu wirtschaften, um sich selbst mit biologisch angebauten Produkten zu versorgen. Die Überschüsse wurden bislang an die staatlichen Aufkaufstellen zu subventionierten, günstigen Preisen abgegeben, allerdings ohne besonderen Hinweis auf das „Bio“.
Es besteht großes Interesse, diese Bioprodukte unter einem geschützten Markenzeichen zu verkaufen. Im Frühjahr 1989 wurde die GÄA-Arbeitsgemeinschaft für ökologischen Landbau in der DDR gegründet. Der Name bezeichnet die griechische Göttin der Erde. In dieser AG haben sich Landwirte, Gärtner, Obst- und Weinbauern sowie Agrarwissenschaftler zusammengeschlossen.
Sie versteht sich als Dachverband für biologisch-organisch und biologisch-dynamisch wirtschaftende Gruppen und sieht es als ihre Aufgabe an, Erfahrungen auf dem Gebiet des ökologischen Landbaus weiterzugeben, die Kontakte der Mitglieder untereinander zu fördern, Gespräche, Vorträge und Exkursionen zu organisieren.
Bis Oktober 1989 waren all diese Aktivitäten nur unter dem Dach der Kirche möglich. So ist die GÄA zur Zeit noch eine Teilgruppe des ökologischen Arbeitskreises der Dresdener Kirchenbezirke. Zunehmend wenden sich jetzt auch Vertreter der genossenschaftlichen Landwirtschaft, staatlicher Institutionen und Forschungseinrichtungen an diese Arbeitsgemeinschaft, um sich informieren oder beraten zu lassen.
Im März 1990 wurde die GÄA Mitglied der IFOAM (Internationale Vereinigung der biologischen Landbaubewegungen). Einen Monat später veranstaltete sie ein Seminar zum Thema „Beikrautregulierung im ökologischen Landbau“, mit über 100 Teilnehmern.
Die Fachgruppe Landtechnik der AGÖL (Arbeitsgemeinschaft ökologischer Landbau in der BRD) demonstrierte anschließend mechanische Pflegegeräte zur Beikrautregulierung. Zwei Öko -Bauern aus der BRD stellten ihre jeweiligen landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebe vor.
Am Rande dieser Veranstaltung kam es zu den ersten Kontaktaufnahmen mit dem Vorstand der AGÖL. Es wurde der Wille bekräftigt, auf den Gebieten der Koordination, der Beratung und der Vermarktung zusammenzuarbeiten. Mitglieder der GÄA wollen mit jeweiligen Fachexperten aus der BRD kooperieren, um dann später selbständig die Arbeit in der DDR fortzuführen.
Das Hauptanliegen neben dem Einbringen des ökologischen Landbaugedankens in die konventionelle Landwirtschaft, sieht die AG im Augenblick in der Realisierung eines ökologisch wirtschaftenden Musterbetriebes, in der Möglichkeit Bioläden zu eröffnen, in der Forderung, unabhängige Forschungsinstitute des ökologischen Landbaus zu schaffen und darin, einen Lehrstuhl für alternativen Landbau an den Hochschulen einzuführen.
Die GÄA selbst will eine verbandseigene Zeitschrift herausbringen. Es gibt bisher erst etwa 50 eingetragene Mitglieder und etwa 200 Interessierte. Mit Beginn der Ernte '90 sollen auch Fragen der Vermarktung biologischer Produkte weiter verfolgt werden. Verschiedene Einzelhandelsgeschäfte und Erzeuger wollen zusammenarbeiten.Der Antrag, ein Warenzeichen schützen zu lassen, läuft seit Februar 1990, und wird hoffentlich in wenigen Wochen zum Abschluß kommen. Zur Zeit sind noch keine ökologisch angebauten Produkte in der DDR unter einem Warenzeichen erhältlich. Auch die Frage der Produktkontrolle wird geklärt werden müssen.
Stefan Kirchen
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