: Wo beginnt der Schaden für das Kind?
Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung über das „Nichtehelichen-Umgangsgesetz“ ■ Aus Bonn Carola Schewe
„Erzwungener Umgang schadet dem Kind.“ Mit diesem Satz erntete Richterin Dr. Peschel-Gutzeit vom Deutschen JuristInnenbund den Beifall aller ExpertInnen, die gestern vom Rechtsausschuß des Bundestages angehört wurden. Es ging um den Entwurf der Bundesregierung zum „Nichtehelichen -Umgangsgesetz“.
Das geplante Gesetz hat magere vier Paragraphen, die nur eines erreichen sollen: dem unverheirateten Vater wird die Mühe des Nachweises abgenommen, daß seine Besuche dem Wohl des Kindes dienen. Will er heute den Umgang mit seinem Kind erzwingen, muß er dem Vormundschaftsrichter klarmachen, daß das Kind an ihm hängt oder ähnliches. Morgen, nach neuem Recht, wird die Mutter darlegen müssen, wie schlecht der Vater fürs Kind ist.
Diese bloße Umkehrung der Beweislast stellte die ExpertInnen nicht zufrieden. Die meisten erkannten zwar einen Regelungsbedarf und verlangten eine völlige Neuordnung des Kindschafts- und des Sorgerechts. Es gibt auch immer mehr unverheiratete Paare mit Kindern, aber mit diesem Gesetz würde ihre Situation um nichts besser.
Die Kritik reicht bis ins konservative Lager. Zum Beispiel fragte Meo-Micaela Hanne vom Deutschen Richterbund: „Soll der Vater etwa gegen den Willen der Mutter das Umgangsrecht erhalten?“ Das würde allen Beteiligten mehr schaden als nützen. Weitere Kritik: Der Entwurf differenziere nicht zwischen nichtehelichen Lebensgemeinschaften und eher flüchtigen Elternbeziehungen. Er sage auch nicht, wo der Schaden fürs Kind beginne; es gebe da eine Grauzone.
Ebenfalls aus Sicht des Kindes kritisierte Anita Heiliger vom Deutschen Jugendinstitut den Gesetzentwurf. Sie wies auf ihre Untersuchungen hin, nach denen ledige Mütter wesentlich weniger Erziehungsprobleme haben als geschiedene; ihre Kinder fallen in der Schule positiver auf als die Kinder verheirateter oder geschiedener Eltern - unter anderem deshalb, weil langwierige Trennungsprozesse oder schwierige Familienkonstellationen Kinder stark beanspruchen. Ledige Mütter können nach jetzigem Recht die Auseinandersetzungen mit dem Vater begrenzen und ihren Kindern diesen Streß ersparen.
Ein weiteres Argument, das alle Angehörten anführten: Die Mütter, die dem Vater jeden Kontakt verwehren - sei es aus Böswilligkeit oder Unwillen, sich dem Konflikt auszusetzen sind relativ selten. Genaue Zahlen liegen nicht vor, weil zu wenige Forschungsvorhaben öffentlich gefördert werden; aber aus ihrer Praxis brachten das vor allem Brigitte Muth -Delschner von der „Arbeitsgemeinschaft Alleinerziehende“ und Hede Andresen vom „Verband alleinstehender Mütter und Väter“ vor.
Sie schilderten eindrücklich die überaus schlechte materielle Situation lediger Mütter, deren Überlastung durch Beruf, Familie und Haushalt. Gerichtsverfahren von möglicherweise längerer Dauer, in denen sie sich nun rechtfertigen müssen, bringen dazu noch psychische Belastungen. „Was die Emotionen hochtreibt“ gegen diesen Gesetzentwurf, sagte Dr. Peschel-Gutzeit, „ist, daß die Mütter in ihrem Daseinskampf nur Befugnisse abgeben sollen, ohne etwas dafür zu bekommen.“
Das einhellige Mißfallen der Fachleute hat sich bisher in der Langwierigkeit des parlamentarischen Rituals niedergeschlagen. Der Gesetzentwurf, in unfertiger Form erstmals 1986 an die Öffentlichkeit gelangt, wurde zwar im Bundestag gebilligt. Aber man munkelt, daß außer der FDP und ihrem Minister Engelhardt niemand so richtig dafür ist.
Falls morgen in Niedersachsen die Regierungsmehrheit wechseln sollte, würde auch dieses Gesetz den Bundesrat nicht passieren.
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