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Guatemala droht ein „zweites Panama“

Präsident Cerezo am Ende / Wie Noriega werden ihm Drogengeschäfte vorgeworfen / Menschenrechtsverletzungen sind kein Thema  ■  Aus Managua Ralf Leonhard

Die USA fürchten - so berichtet die 'Los Angeles Times‘, daß Guatemala mit Präsident Alfonso Cabrera zu einem „zweiten Panama“ werden könnte. Der durch die US-Invasion gestürzte General Noriega hat sein Land zu einem Drogenumschlagplatz großen Stils gemacht.

Erst vor wenigen Tagen entdeckte die guatemaltekische Polizei in einem Lastwagen über 600 Kilo Kokain, die von Kolumbien in die USA unterwegs waren. Der US-Geheimdienst CIA soll ausgerechnet Offiziere des berüchtigten militärischen Nachrichtendienstes G-2 für Informationen und Unterstützung bei der Drogenbekämpfung bezahlt haben.

Bei Menschenrechtsfragen scheint die US-Regierung dagegen ein Auge zuzudrücken. In den vergangenen Wochen sind zwar erneut Studenten und Gewerkschafter verschleppt und ermordet worden. Doch richtet sich die Kritik aus Washington eher gegen die Unfähigkeit der Regierung, der politisch motivierten Gewalt Einhalt zu gebieten.

Oberleutnant Fernando Minera, der jüngst festgenommen wurde, als er eine Kokainladung in die USA verschieben wollte, sagte in Untersuchungshaft aus, daß auch die G-2 am Geschäft beteiligt sei und der Schmuggelring die Grenzbehörde einschließe, die ebenfalls von Militärs kontrolliert wird.

Präsident Vinicio Cerezo, dessen Amtszeit in einem halben Jahr ausläuft, ist isoliert. Guatemalas Oppositionsparteien fordern, daß er noch vor den Wahlen vom kommenden November die Macht teilt. Und die USA haben ihre schützende Hand zurückgezogen. Nach einem Bericht der 'Los Angeles Times‘ setzen die USA erneut auf die Militärs, um „die Stabilität des Landes“ zu wahren. Den regierenden Christdemokraten werden Korruption und ihre Verwicklung in Drogengeschäfte vorgeworfen. Die Handlungsmöglichkeiten der Zivilregierung, die 1986 drei Jahrzehnte Militärherrschaft beendete, war von Beginn an von der Armee beschränkt worden.

Cerezo muß in jedem Fall im Januar 1991 das Amt abgeben, da die Verfassung eine Wiederwahl verbietet. Aber Alfonso Cabrera, der zwielichtige Generalsekretär der Christdemokraten, der offiziell als Präsidentschaftskandidat nominiert wurde, ist für Washington eine Persona non grata. Dem ehrgeizigen Politiker können zwar keine Drogendelikte nachgewiesen werden, doch führen verdächtig viele Fährten in seine Nähe (s. taz vom 14.10.89).

Sein Bruder Vinicio wurde 1984 in Miami mit zehn Kilo Kokain erwischt und verurteilt, sein Bruder Carlos war Adressat eines mit Koks gefüllten Koffers, der vor einem Jahr im Flughafenzoll entdeckt wurde. In der US-Presse wird Cabrera immer wieder mit Kokaindeals in Zusammenhang gebracht.

Selbst Präsident Cerezo hat viele Untersuchungen von Drogen und Korruptionsvorwürfen verhindert. Im Vormonat verschwanden spurlos zwei Millionen US-Dollar, die die US -Regierung zur Bekämpfung einer Masernepidemie gespendet hatten. Über 300 Kinder sind allein seither an der Krankheit gestorben. US-Botschafter Thomas Stroock hat die Regierung wiederholt wegen Korruption und Verletzungen der Menschenrechte kritisiert. Durch die schleppende Auszahlung bereits zugesagter Finanzhilfen zwingt Washington die Regierung Cerezo zu einer harten Sparpolitik, die sicher viele Stimmen kosten wird.

Ein neues Wirtschaftsprogramm bringt empfindliche Preiserhöhungen und Massenentlassungen. Das Außenministerium will über drei Millionen Dollar durch die Schließung von 12 Botschaften und 16 Konsulaten einsparen. Aufgelöst wurden unter anderem die diplomatischen Vertretungen in Wien und Bern sowie das Konsulat in San Francisco, wo 30.000 GuatemaltekInnen leben. Der dortige Konsul wird beschuldigt, einen blühenden Handel mit Pässen zu betreiben.

Botschafter Stroock machte sich bei den Christdemokraten auch nicht beliebter, als er ankündigte, seine Regierung wolle Beobachter zu den bevorstehenden Wahlen schicken: „Wir hoffen, daß es hier zu freien und sauberen Wahlen kommt.“ An offenen Wahlbetrug glauben die wenigsten, doch die Opposition fürchtet, daß die Christdemokraten sich für ihren Wahlkampf aus der Staatskasse bedienen wird.

Fernando Andrade, der letzte Außenminister des Militärregimes, will jetzt als Kandidat einer Oppositionsallianz an die Macht kommen. Als Ende April wieder einmal Putschgerüchte aufkamen, war er gerade bei Cerezo. Dieser müsse zu „heroischen Maßnahmen“ greifen, um „angesichts der Verzweiflung der Mehrheit der Guatemalteken“ seine Regierung über die Runden zu retten.

Andrade empfahl eine Kabinettsumbildung, bei der auch die Opposition berücksichtigt werden sollten. Dadurch könne verhindert werden, daß Alfonso Cabrera den Regierungsbonus für die Christdemokraten einsetze.

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