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Grüner Erfolg auf des Messers Schneide

■ Nach der Achterbahn der Gefühle gab es bei den Bundesgrünen viele Sieger

Den Grünen bescherte der Wahlabend eine wahre Achterbahn der Gefühle und die Erkenntnis, daß zwischen tiefer innerparteiischer Krise und einem „Wahnsinnserfolg“ (Bundesgeschäftsführer Walde) nicht einmal 0,1 Prozentpunkte liegen können. Am Ende der mehrstündigen Zitterpartie, als der Einzug in das nordrheinwestfälische Parlament endlich feststand, aber war man sich strömungsübergreifend einig über einen großen Erfolg: „Was Besseres haben wir uns nicht wünschen können“, werteten sowohl der den Realos zugewandte Bundesvorstandssprecher Ralf Fücks als auch der Wortführer der Linken und Bundesvorstandsmitglied Jürgen Reents den erstmaligen Einzug in NRW und die mögliche Regierungsbeteiligung in Niedersachsen. Die tiefe Befriedigung, sich trotz miserabler öffentlicher Noten unerwartet als drittstärkste politische Kraft stabiliisiert zu haben, hat auch Auswirkungen auf den derzeit mit Erbitterung geführten Flügelstreit. Der unabhängige Beisitzer im Bundesvorstands, Jürgen Maier, der die Auseinandersetzungen zwischen Realos und Linken kürzlich als „Midlife-Krise“ der 68er-Generation charakterisierte, kommentierte erleichtert: „Die Entscheidungsschlacht fällt aus, die Krise ist vorbei.“

Als das Wechselbad der Gefühle ein Ende hatte, fühlten sich alle Strömungen bestätigt und hatte der Erfolg viele Väter und Mütter. Solange die Hochrechnungen den Grünen noch weniger als 5 Prozent zubilligten, zeichnete sich dagegen ab, daß eine Schlappe als Munition im eingespielten Strömungsritual werde herhalten müssen. Der männliche Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen, der Realo Michael Vesper, machte zu diesem Zeitpunkt das Erscheinungsbild der Grünen auf Bundesebene verantwortlich für das ungenügende Abschneiden. Die Grünen werden für die Idee grüner Politik gewählt, nicht so sehr für ihre aktuelle Verfassung, bilanzierte dagegen später Ralf Fücks einen „Durchbruch“, der selbst gesamtdeutsche Auswirkungen haben könne. Als „Ruhekissen“ aber dürfe das Ergebnis nicht gewertet werden. Offenbar aber sei die eigene Binnenwahrnehmung „schriller“ als sie von den WählerInnen wahrgenommen werde. Zur spürbaren Erleichterung über den Wahlerfolg gesellte sich Nachdenkliches: „Die Strategie der Zuspitzung war falsch.“ Die auf dem letzten Parteitag in Hagen vom realpolitischen Lager mit der Brechstange versuchte Veränderung könne nicht durch ein Ultimatum von oben erzwungen werden, sondern nur durch einen neuen Grundkonsens. Das Wahlergebnis jedenfalls werde die Partei zusammenschließen und die Konsensbildung erleichtern, glaubt Fücks.

Bestätigt auf allen Ebenen fühlt sich vom Wahlergebnis auch die Parteilinke. „Das Zusammenbruchsgerede wird jetzt beendet sein“, freute sich der Parteilinke Jürgen Reents mit Hieb auf die Realos. Reents liest aus dem Ergebnis heraus, daß die Grünen als radikaldemokratische und ökologische Opposition mit einer aggressiveren Politik gegen die Wiedervereinigung und Großdeutschland „noch mehr holen könnten“. Und auch mit der Aussicht auf ein rot-grünes Bündnis in Niedersachsen kann sich Reents anfreunden, auch wenn er eine auf Sachthemen gründende Tolerierung einer sozialdemokratischen Regierung einem grünen Regierungseintritt vorziehen würde. Nicht wenige aus der Parteiführung rechnen freilich damit, daß sich Schröder in Niedersachsen der FDP zuwenden werde. Nur mit den Grünen sei die von Schröder versprochene „Reformalternative“ zu verwirklichen, mahnte Fücks; alles andere sei ein „Mangel an politischer Courage“.

Das WählerInnenvotum werde die Linke auch für den kommenden Parteitag in Dortmund stärken, wo unter anderem der Vorstand neu gewählt und die Weichen zu einer gesamtdeutschen grünen Partei gestellt werden sollen. Eine „starke Linke ist die größte Garantie für ein pluralistische Politik“ bei den Grünen, verteidigt Reents den von den Realos aufgekündigten Gründungskonsens, jener Gemengelage zwischen Ökologie und Klassenanalyse.

In die neue Stimmungslage der Partei fügen sich auch die Aussagen der Bundesvorstandssprecherin der Partei, Verena Krieger, in der Bonner Runde. Wie selten in den letzten Monaten bemühte sich die Linke, die Gesamtpartei zu vertreten und einen öffentlichen Auftritt nicht zur Abrechnung mit den Realos zu nutzen. Sie wertete das Ergebnis als Quittung für die Kohlsche „Einverleibungspolitik“. Auf den Flügelstreit gemünzt war lediglich die Aussage, der grüne Gründungskonsens habe sich bestätigt und die „Unkenrufer“ seien eines besseren belehrt worden.

Gerd Nowakowski

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