: Staatsvertrag nicht als Gewaltaktion betreiben
Güther Einert, NRW-Minister für Bundesangelegenheiten, zu den Konsequenzen aus der neuen Bundesratsmehrheit ■ I N T E R V I E W
taz: Herr Einert, wann steht der Staatsvertrag mit der DDR im Bundesrat auf der Tagesordnung?
Günther Einert: Wir haben uns für den ersten Durchgang auf Dienstag nächster Woche verständigt. Das setzt natürlich voraus, daß die Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und der Regierung der DDR noch in dieser Woche so abgeschlossen werden, daß der Vertrag - wie es der Regierungsfahrplan vorsieht - noch am Freitag dieser Woche per Kabinettsbeschluß gebilligt wird.
Bis zur nächsten Woche hat sich die neue Mehrheit im Bundesrat noch nicht etabliert...
Das ist formell richtig, denn bis zum Ende des Monats sind die alten Mitglieder des Bundesrates noch im Amt. Beim zweiten Durchgang, der bis zum 22. Juni erfolgen sollte, sieht das allerdings schon anders aus, weil die neuen Regierungen Mitte Juni im Amt sein dürften.
Heißt das, Sie gehen davon aus, daß die Kohl-Regierung schon in der nächsten Woche bemüht sein wird, entsprechend der neuen Mehrheit Kompromisse zu finden?
Wenn sie einigermaßen klug beraten ist, wird sie jetzt, wie von uns immer gefordert, verbindliche Gespräche im Geist der Kooperation mit uns aufnehmen und den Staatsvertrag nicht in einer Gewaltaktion betreiben.
Könnte die neue Mehrheit rein formal einen Vertrag, der ihr absolut gegen den Strich ginge, letztendlich verhindern?
Im Konfliktfall könnte man den Vertrag erst im zweiten Durchgang und nur durch Anrufung des Vermittlungsausschusses kippen. Das wäre aber auch außenpolitisch eine dramatische Situation, wenn man mit Hilfe einer neuen Mehrheit den gesamten Staatsvertrag und damit die Vereinigung der beiden deutschen Staaten kippen würde. Das ist für mich im Augenblick nur eine hypothetische Betrachtung.
Bildungsminister Möllemann hat heute morgen erklärt, seine Partei werde dem Staatsvertrag nur dann zustimmen, wenn man sich vorher auf einen gesamtdeutschen Wahltermin am 2.12.90 oder im Januar 1991 geeinigt habe. Wird die SPD einem solchen frühen Wahltermin zustimmen?
Auch das ist eine hypothetische Diskussion. Aber ich versteh Herrn Möllemann nicht, denn man muß doch den Wahltermin von den Vier-plus-zwei-Verhandlungen abhängig machen und kann nicht so tun, als würden die Vorstellungen der vier Siegermächte überhaupt keine Rolle mehr spielen. Das sind doch wahltaktische Spielereien, was der Herr Möllemann da macht. Der bildet sich ein, daß die Konservativen bei ganz schnellen gesamtdeutschen Wahlen eher eine Gewinnchance haben könnten als bei einem späteren Termin.
Halten Sie eine Verständigung auf den Wahltermin bis Ende Juni für denkbar?
Das halte ich für unmöglich.
Herr Waigel will die Umsatzsteuer zu Lasten der Länder anders verteilen und damit einen Teil der Vereinigungskosten bestreiten. Können Sie diese Absicht mit der neuen Mehrheit verhindern?
Ja. Wir halten das Schielen auf die Umsatzsteuer für völlig falsch. Zunächst muß der Bundesfinanzminister mal die Entlastungen der Vereinigung, die nur der Bundeskasse zufließen, benennen.
Interview: Walter Jakobs
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen