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Morsche Krücke der Regierung

■ Atemberaubende Folgen der Energieverschwendung / Noch immer ist kein kostendeckender Energiepreis eingeführt / Regierung de Maiziere untätig

Berlin (taz) - Es geht schon lange nicht mehr gut: die Kilowattstunde Strom im Privathaushalt für 8 Pfennig, ein Braunkohlenbrikett für zwei Pfennig, Warmwasser in Neubauten pauschal für ein paar Mark im Monat.

Die Folgen sind im doppelten Sinne atemberaubend: Die DDR ist mehrfacher Europameister - in der Energieverschwendung, im Ausstoß von Schwefeldioxid, Staub und Kohlendioxid. Der DDR-Bürger verbraucht pro Kopf doppelt soviel Energie wie ein Westeuropäer. So war es vor der Wende, so war es unter Modrow. Soll es unter de Maiziere so bleiben? Alles deutet darauf hin. Bei Verteufelung des alten Systems werden die schwerwiegenden ökologischen Fehler weiter gepflegt.

Eine neue Energiepolitik mit alten Preisen taugt soviel wie ein Neuanstrich eines morschen Atomreaktors - nichts. Die Chance, alle Energieverbraucher am Energiesparen zu interessieren, energiesparende Techniken und Verhaltensweisen zu fördern wird vertan. Die Aushöhlung unserer Erde, insbesondere der Lausitzer Heimat wird weiter staatlich gefördert, der Wald darf weiter sterben, die Kinder weiter husten. Der wirksamste Weg, Energie einzusparen und die Umwelt zu entlasten, ist die Einführung eines zumindest kostendeckenden Preises, Umweltkosten einberechnet. Doch bei aller Beschwörung der Marktwirtschaft ist von dieser Binsenweisheit nichts zu erkennen.

1990 werden nach dem Stand der Dinge runde 6 Milliarden Mark für die so bequeme Energieverschwendung bereitgestellt, für jeden Haushalt im Schnitt runde 1.000 Mark im Jahr. Die Folgen sind fatal. Künstlich niedrig gehaltene Energiepreise führen bei allen Verbrauchern zu einer schwerwiegenden Fehlentwicklung: Energieintensive Verfahren und Verhaltensweisen setzen sich ungebrochen fort. Wärmeschutz an Gebäuden rechnet sich nicht, energiesparende Kühlgeräte oder Beleuchtungssysteme finden kein Interesse. Jetzt, in der Phase des Neuanfangs, müßten die Weichen richtig gestellt werden.

Energie ist kostbar und kann nur einmal verwendet werden. Das Ende der Vorräte ist absehbar. Je mehr wir uns dem Ende nähern, desto mehr heizt sich das Treibhaus Erde auf. Länder wie Dänemark und Japan haben die Preise durch mutige politische Entscheidungen künstlich hochgesetzt. Die Folge: Das Energiesparen lohnt sich, energiesparende Techniken sind gefragt und setzen sich durch, der Energieverbrauch geht zurück, in Dänemark um 2 Prozent im Jahr. Der politisch angeordnete Mangel, der ja auch der weltweiten Realität entspricht, macht erfinderisch, wurde zur Herausforderung. Dänische Kühlschränke kommen zum Beispiel mit 60 Prozent weniger Energie aus als unsere Energiefresser, die sich erst heiß laufen müssen, um zu kühlen.

Die neue Regierung humpelt mit einer morschen Krücke weiter, weil sie zu feige ist, der Bevölkerung endlich die Wahrheit zu sagen: Energie ist teuer und muß teuer sein, jeder solle sich darauf einstellen. Wer das verschweigt, pflegt weiter die alte Unmündigkeit und hat weder die ökologischen noch die sozialen Folgen einer Energieverschwendungspolitik begriffen. Wer den Handlungsbedarf nicht sieht oder nicht sehen will, macht sich vor der jetzigen und den kommenden Generationen schuldig, moralisch und materiell.

Ernst Dörfler

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