: Frau Einsteins „relative“ Bedeutung
■ Hat Albert geschummelt?
BUNSENBRENNER
War Einstein ein Genie oder ein Chauvi? Diese Frage erhitzte die Gemüter seriöser Wissenschaftler auf der Versammlung der „American Association for the Advancement of Science“. Die Wortgefechte waren erbittert. Immerhin sollte es einem Idol an den Kragen gehen. Eine streitsüchtige Forscherin behauptete doch glatt, daß Relativitätstheorie und andere weltbewegende Entdeckungen nicht auf Einsteins eigenem Mist gewachsen sind. Nicht der Gott der Physik selbst, sondern seine erste Ehefrau, Mileva Maric-Einstein, habe die genialen Eingebungen gehabt. Albert, meint die deutsche Linguistin Senta Trömel-Plötz, half zuweilen das Geschirr spülen: „Seine Frau tat ihm leid, weil sie nach getaner Hausarbeit bis lange nach Mitternacht mit seinen mathematischen Problemen zu tun hatte.“
Maric und Einstein besuchten zusammen das Polytechnikum in Zürich. Sie nahmen die gleichen Kurse und bekamen die gleichen schlechten Noten. Trotzdem erhielt Einstein 1900 sein Diplom und Maric nicht. Kein Wunder: Erst 1982 entschied ein Schweizer Bundesgericht, daß die Unis keine unterschiedlichen akademischen Anforderungen an Frauen und Männer stellen dürfen.
Marics Rolle in Einsteins Forschung geht aus dem Briefverkehr zwischen dem oft getrennten Paar hervor. Der allerdings ist einseitig, weil die meisten ihrer Briefe nicht mehr existieren. „Typisch“, meint Trömel-Plötz, „historische Dokumente, die Frauen betreffen, sind zwar nicht bösartig zerstört, aber doch gründlichst vernachlässigt worden.“ In Einsteins 41 Briefen an Maric erwähnt er häufig die gemeinsame Arbeit. „Wie glücklich und stolz ich sein werde, wenn wir beide unsere gemeinsame Arbeit über die Relativität von Bewegung zu einem siegreichen Abschluß bringen.“
Einstein-Historiker John Stachel ist ungehalten über die feministische Kritik an seinem Studienobjekt: „Dies sind die Briefe eines verliebten, jungen Mannes, der seine eigenen Ego-Grenzen erweiterte, um Maric in sie einzubeziehen“, formuliert er chauvihaft. In den zehn erhaltenen Briefen von Maric an Einstein, so Stachel, ist von Physik kaum die Rede. Auch andere Indizien legen nahe, daß Maric zumindest zeitweilig die graue Eminenz hinter Einsteins Erkenntnissen war. Vier der wichtigsten frühen Manuskripte, die heute Einstein zugeschrieben werden, sollen ursprünglich von „Einstein-Maric“ verfaßt worden sein. Die Originale sind verloren gegangen, und neuere Kopien der Arbeiten nennen nur Albert Einstein als Autor.
Weiter entwickelte Maric zusammen mit dem Physiker Paul Habicht eine Maschine, die schwache elektrische Ströme mißt. Bei der Patentierung des Apparats ließ man ihren Namen weg. Selbst Einsteins Ego-erweiternde Liebe hatte ihre Grenzen. 1914 verließ er Maric. Sie mußte, um sich und die beiden gemeinsamen Kinder zu ernähren, häufig Pensionsgäste aufnehmen und starb später in Armut.
san
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