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Wahlkater

 ■  McCASH FLOWS ORAKEL

Die Wahlergebnisse in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen und der Verlust der kapitalfreundlichen CDU-Mehrheit im Bundesrat konnten die deutsche Börse auch nicht mehr schocken: Nach einer äußerst verlustreichen Woche gaben die Kurse zwar am Montag noch einmal nach, doch die 0,8 Prozent, die der DAX-Index einbüßte, muten angesichts des Anfangs vom Ende der Ära Kohl recht bescheiden an. Optimisten auf dem Börsenparkett gehen davon aus, daß die politischen Schatten in zwei, drei Tagen verschwunden sind und das Hausse -Pferdchen DAX-Index wieder antrabt, zumal die internationalen Vorgaben aktuell günstig sind. Während in den letzten Monaten die Börsen in Wall Street und Tokio kränkelten und Frankfurt oft als einzige Weltbörse Tagesgewinne verzeichnen konnte, sind es jetzt wieder einmal ungekehrt aus: der bis auf 29.000 Punkte abgestürzte Nikkei Index rappelte sich zum Wochenbeginn wieder auf 32.000 hoch und Wall Street konnte sogar mit einem historischen „All Time High“ aufwarten: Am Montag wurde der bisherige historische Höchststand des Dow Jones Index vom 2. Januar 1990 knapp überboten, das Kursbarometer kletterte auf 2.810 Punkte. Dieser überraschende Sprung nach oben half auch dem US-Dollar, der gleich wieder einen Pfennig Stabilität im Vergleich zur D-Mark gewann. Empfindlich reagierte der deutsche Rentenmarkt auf den Umschwung in der politischen Landschaft: die Kurse für öffentliche Anleihen gaben bis zu 75 Pfennig nach, die Durchschnitts-Rendite kletterte dadurch auf 8,86 Prozent (Freitag 8,79) wobei die Marktteilnehmer damit rechnen, daß dies nicht das Ende der Zinsteigerungen ist. Die von Kohl nach der Wahlschlappe forcierte Flucht nach vorn wird auf den Finanzmärkten sehr kritisch gesehen die fortgesetzte Beschleunigung des Vereinigungsprozesses treibt die Kosten immer weiter in die Höhe. Deshalb könnte es durchaus sein, daß noch vor der Sommerpause eine vorbeugende Leitzinserhöhung ins Haus steht - die aber ist nicht nur Gift für den Aktienmarkt, sondern bedeutet generell eine Lähmung der Wirtschaft und die Aufblähung auch der privaten Haushaltskosten. Es liegt also durchaus nahe, daß der Wahlkater der deutschen Börse noch ein bißchen stärker zu Kopfe steigt, als die leichte DAX-Migräne vom Wochenbeginn vermuten läßt.

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