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Ein Staatwird gemacht

■ Nach drei Wochen Verhandlungen zwischen den Experten liegt nun der Staatsvertrag vor. Den ursprünglichen Entwurf, der vom Bonner Diktat geprägt war, konnten die DDR-Unterhändler entschärfen.

„Deutliche Worte“ werde Bundeskanzler Kohl in Sachen Staatsvertrag zu hören bekommen, hatte DDR-Außenminister Markus Meckel am Montag abend versprochen. Zumindest ein „Nachschlag“ müsse verbindlich festgeschrieben werden. Auf die deutlichen Worte der DDR-SPD wartete man gestern in Ost -Berlin vergebens.

Lediglich der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD, Frank Bogisch, wagte sich mit der These an die Öffentlichkeit, möglicherweise verlasse der jetzt vorgelegte Staatsvertragsentwurf die Ostberliner Koalitionsvereinbarungen. Bogisch kritisierte insbesondere, daß der Entwurf die Beteiligung der DDR im Zentralbankrat ausklammere. Die SPD sei auch nicht damit einverstanden, daß die Erlöse aus der Privatisierung volkseigener Betiebe in die Kassen des Finanzministeriums fließen sollen und nicht direkt zur Sanierung der Betriebe verwendet würden.

Das war's. Prinzipielle Kritik, etwa am Zeitplan, der Regelung der Eigentumsfrage oder der Verweigerung eines gesamtdeutschen Parlamentsausschusses, wie ihn die SPD zur Kontrolle der Umsetzung des Vertrages gefordert hatte, blieben aus. In Ost-Berlin geht derzeit der Koalitionsfriede über alles.

Deutlicher wurde zumindest der SPD-Vorsitzende (West) Hans -Jochen Vogel. Erneut machte er Bundeskanzler Kohl für den „unerträglichen Zeitdruck“ verantwortlich, mit dem der Staatsvertrag über die Einführung der Wirtschafts- und Sozialunion zustande gebracht werden soll. Damit seien Arbeitslosigkeit und soziale Härten in der DDR absehbar.

Vogel schloß zugleich Interessenkonflikte mit der DDR-SPD um Inhalte des Staatsvertrags nicht aus. Die Ost-Schwester habe es immerhin erreicht, daß es Nachbesserungen bei der Rentenhöhe und beim Kündigungsschutz gegeben habe und das Recht der Unternehmer auf Aussperrung und der Ausschluß von Sozialplänen bei Betriebsschließungen im Staatsvertrag nicht mehr enthalten seien.

Wenn aber mit dem Staatsvertrag ein Schutz vor dem Absinken der DDR-Bürger unter die Armutsgrenze erreicht sei, dann sei eine Grenze erreicht. Mit weiteren Nachforderungen, zum Beispiel bei noch höheren Umtauschsummen zum Kurs 1:1, sei die Bundesrepublik „wirklich überfordert“. In diesem Sinne durchaus konsequent, lehnte Vogel eine Aussage ab, wie die SPD im Bundesrat, wo sie nun die Mehrheit stellt, über den Staatsvertrag abstimmen werde. Unsicherheit gibt es derzeit auch über das Abstimmungsverhalten Hamburgs, wo ein SPD-FDP -Koalition regiert.

Trotz Hinweis auf die Belastungsgrenze der Bundesrepublik sprach sich Vogel für weitere Verbesserungen am Staatsvertrag aus. Es müsse alles getan werden, daß mittelfristig überlebensfähige Betriebe nicht in den ersten Wochen nach dem Start der Wirtschaftsunion zusammenbrächen. Er erinnerte an den AEG-Konzern, dem schließlich auch mit Milliardenbeträgen geholfen worden sei. Außerdem müßten Fragen der Ökologie stärker berücksichtigt werden. Vogel trat auch dafür ein, bei Vermögen über 100.000 Mark einen Herkunftsnachweis zu verlangen. Damit sollen Vermögen von ehemaligen SED-Funktionären und aus dem SED-Firmen- und Parteiimperium vom Umtausch ausgeschlossen werden.

Anders als Vogel lehnte Finanzminister Waigel nach seinem Finanzkontrollbesuch bei seinem DDR-Amtskollegen Walter Romberg jegliche Nachbesserungen am Entwurf ab. Im Haushalt der Bundesrepublik könnten dafür keine Gelder mehr lockergemacht werden. Zwar hört sich diese Einschätzung so an, als könne Waigel den notwendigen Finanzbedarf bereits nennen; doch auf die Frage nach den Kosten der Einheit mußte der oberste Finanzhüter der Bundesrepublik passen: „Das kann nur ein Hellseher oder Hochstapler beantworten“, meinte Waigel und ließ sich dann doch zu einer Aussage hinreißen: Irgendwo zwischen 40 bis 60 Milliarden im nächsten Jahr.

Genau wußte Waigel dann wieder, daß das Problem „finanziell zu schultern“ sei, ohne daß die öffentliche Hand oder der Kapitalmarkt über Gebühr beansprucht würden. Er bekräftigte erneut die Auffassung, daß Steuererhöhungen „der falsche Weg“ zur Finanzierung der Einheit seien.

Bei der Unterredung in Ost-Berlin ging es nach den Worten des CSU-Politikers um die „finanzielle Komplettierung dessen, was mit dem Staatsvertrag verbunden ist“. Als „Knackpunkte“ bezeichnete er die Frage der Eigentumsordnung und die künftige Finanzierung der DDR-Renten. Auch über die Verschuldung der DDR sei gesprochen worden, doch werde die endgültige Summe erst am Donnerstag vorliegen.

Romberg bekräftigte, für die Ostberliner Regierung gehe es vor allem darum, daß Rentner nicht unter die Armutsgrenze fallen dürften. Er hoffe, daß bei der abschließenden Gesprächsrunde der Ministerpräsidenten der Länder eine sozial verträgliche Regelung gefunden werde.

gn/eis

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