Einreisebestimmungen grenzen aus

■ DDR beabsichtigt die Übernahme des BRD-Einreiserechtes / Staatssekretär Müller: Uneigennütziges Prozedere / Menschen aus Rumänien oder Polen sollen an der Weiterreise in die BRD gehindert werden

Berlin (taz) - Weil seit einigen Wochen zunehmend Rumänen und Bulgaren nach Berlin einreisen, will die DDR ihre Einreisebestimmungen denen der BRD anpassen. Dies kündigte gestern der neue Staatssekretär im Innenministerium Peter Müller in einem Interview mit dem Saarländischen Rundfunk an. Nach Müllers Worten soll dies aus ganz uneigennützigen Gründen geschehen: Man wolle so verhindern, daß Menschen, etwa aus Rumänien oder Polen über die DDR in die BRD einreisen.

Am Dienstag noch war ein entsprechender Vorschlag in einer eigens berufenen Regierungskommission abgelehnt worden. Vor allem die Ausländerbeauftragte beim Ministerrat, Staatssekretärin Almuth Berger, sowie die Ausländerbeauftragte des Berliner Magistrats, Anetta Kahane, haben sich vehement gegen eine Einreisebeschränkung ausgesprochen. „Die DDR hat die historische Aufgabe, als Nachzügler der Geschichte bedrängten Bürgern Gastfreundschaft zu zeigen,“ sagte Kahane. Das Thema stand gestern auch auf der Tagesordnung des Ministerrats, der sich am Freitag weiter mit diesem Komplex beschäftigen wird. Eine Entscheidung war bei Redaktionsschluß noch nicht gefallen.

Die Zahl der rumänischen und bulgarischen Flüchtlinge in Berlin wird mittlerweile auf über 3.000 geschätzt.

Seit mehreren Tagen kommen täglich mehrere Hundert auf dem Bahnhof Lichtenberg an. Rund zwei Drittel sind rumänische Roma, die in Rumänien wachsenden Repressionen ausgesetzt sind. Manche wollen nach West-Berlin und in die BRD weiterreisen, anderere in der DDR Arbeit suchen, wieder andere wollen sich in der DDR medizinisch behandeln lassen und danach zurückkehren. Einige haben sich in den Schwarzmarkt auf dem Alexanderplatz eingeschaltet.

Die erste Unterkunft, eine Kaserne in Berlin, ist mittlerweile mit über 1.000 Menschen voll ausgelastet. Statt auf Einreisebeschränkungen setzen die Ausländerbeauftragten Kahane und Berger auf ein „vernünftiges Asylgesetz“ und pragmatische Hilfe. Die Kosten für Unterbringung und Versorgung schätzt die Ost-Berliner Ausländerbeauftragte auf mehrere Millionen Mark. Kahane kündigte deshalb einen „Notruf“ an internationale Hilfsorganisationen, Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften an.

Andrea Böhm