Politische Bezirksämter in ganz Berlin?

■ In beiden Stadthälften Debatte um Bezirksverfassung entbrannt / Ost-Berliner SPD und CDU wollen politische Bezirksämter, um PDS rauszuhalten / AL für politische Bezirksämter in ganz Berlin

Berlin. In Ost-Berlin herrscht weiter Unklarheit darüber, nach welchem Verfahren die künftigen Bezirksregierungen gebildet werden und wie die Bezirksämter organisiert sein sollen. Der Gesetzesentwurf für eine Kommunalverfassung wurde letzte Woche in erster Lesung in der Volkskammer behandelt. Nach der Ankündigung des DDR-Ministerrats, daß Ost-Berlin in der künftigen Länderstruktur der DDR keinen eigenen Länderstatus erhalten wird, werden dort auch keine Landtagswahlen stattfinden. Bis nach der Vereinigung soll Ost-Berlin einen Sonderstatus innehaben, die Weichen für ein künftiges Land Groß-Berlin sind damit gestellt.

SPD und CDU favorisieren in Ost-Berlin die Bildung von politischen Bezirksämtern, um zu verhindern, daß die PDS, die in einigen Bezirken stärkste Fraktion geworden ist, das Amt des Bezirksbürgermeisters erhält. Sollten in Ost-Berlin politische Bezirksämter eingeführt werden, stellt sich die Frage, ob bei der Vereinigung der beiden Stadthälften diese Art der Verwaltung für West-Berlin übernommen wird oder das derzeit gültige Bezirksverwaltungsrecht in Kraft bleibt.

Die rot-grüne Regierungskoalition hat vor gut einem Jahr eine Novellierung des Westberliner Bezirksverwaltungsgesetzes in den Koalitionsvereinbarungen angekündigt, um politische Bezirksämter einzuführen. Nach derzeit geltendem Recht teilen sich in den Westberliner Bezirken jeweils sechs Stadträte die Ressorts. Entscheidend für die Verteilung ist die Parteienmehrheit, d. h. jede der in den Bezirksparlamenten vertretene Partei erhält einen Stadtratsposten, die stärkste Fraktion stellt den Bürgermeister. Insgesamt haben die Bezirke in diesem Modell eine schwächere Stellung gegenüber der zentralen Landesverwaltung.

Die Alternative Liste nutzte gestern die erneut aufgeflammte Diskussion um die Bezirksverwaltungen dazu, ihre Forderungen zur Schaffung von politischen Bezirksämtern auch in West-Berlin in Erinnerung zu bringen. Der AL -Abgeordnete Köppl forderte vor Journalisten, über die künftige Bezirksverwaltungen in Ost und West eine intensive Debatte zu führen und deren Ergebnis in eine künftige Berliner Verfassung zu übernehmen. Die AL will ähnlich wie in West-Deutschland Stadträte und Bürgermeister nach den Mehrheitsverhältnissen in den Bezirksverordnetenversammlungen wählen lassen - dann sind auch Koalitionsbildungen möglich. Nach Vorstellung der AL ist es nötig, die Stellung der BVVs auf diesem Wege zu stärken, Köppl kritisierte aber das derzeit in Ost-Berlin vorherrschende taktische Kalkül bei dem Wunsch nach politischen Bezirksämtern. Die für eine Änderung des Gesetzes notwendige Zweidrittelmehrheit will Köppl mit SPD und CDU gemeinsam finden.

Aus eben diesen taktischen Gründen sprach sich gestern der CDU-Oppositionschef Diepgen für eine „Übergangszeit“ für die Schaffung von politischen Bezirksämtern in Ost-Berlin aus. Zwar forderte er die möglichst schnelle Beendigung der generellen Übergangsphase, in der sich Ost-Berlin befinde, „der Wähler habe sich aber eindeutig dafür ausgesprochen, daß die PDS auf Bezirksebene keine Ämter erhalten soll“. Die allgemeine Übergangszeit soll mit gesamtdeutschen Wahlen am 2. Dezember beendet sein, am gleichen Tag sollten auch die ersten Gesamtberliner Wahlen stattfinden. Ob an diesem Tag dann die politischen Bezirksämter in Ost-Berlin wieder abgeschafft werden sollten, ließ Diepgen offen.

Noch nicht ausdiskutiert ist die Frage der Bezirksverfassung bei den Sozialdemokraten nach Auskunft ihres Fraktionsvorsitzenden Staffelt. Die Ostberliner SPD hat sich aus den bekannten Gründen für die Schaffung von politischen Bezirksämtern ausgesprochen, die Westberliner SPD einer Novellierung des geltenden Gesetzes in den Koalitionsvereinbarungen zugestimmt. Auf einer Klausurtagung der SPD-Fraktion im Abgeordnetehaus am kommenden Wochenende, an der auch neun Mitglieder der Ostberliner Stadtverordnetenversammlung teilnehmen werden, soll über diese Frage beraten werden.

kd