: So kommt „Dallas“ nach Istanbul
■ Via Satellit von Ludwigshafen / Mit US-Serien gegen das türkische Privat-TV-Verbot
STAR 1, ein von der Bundesrepublik aus verbreitetes Privat -TV-Programm für die Türkei, wird am 1. Juni seinen Sendebetrieb aufnehmen. Das Programm wird von der Ludwigshafener AKK-Sendezentrale zur Erdfunkstelle Usingen und von dort via ECS-Satellit in die Türkei geschickt. Mit dem Umweg über Ludwigshafen umgeht der Veranstalter, die Satellitenfernsehgesellschaft Magic Box (Istanbul), das in der Türkei geltende Privatfernsehverbot. Hinter Magic Box steht die türkische Rumeli-Holding, die im Bank-, Bau-, Presse-, Verlags- und Immobilienwesen aktiv ist. Nach demselben Prinzip wird seit Mitte vergangenen Jahres RTL -Veronique von Luxemburg aus für die Niederlande veranstaltet, wo Privatfernsehen ebenfalls noch verboten ist.
Wie der Magic-Box-Vorstandsvorsitzende, der Wirtschaftsprofessor Tunca Toskay, am 7. Mai in der AKK -Sendezentrale mitteilte, soll STAR 1 ein Unterhaltungskanal mit einem „jungen, dynamischen Programm“ sein („in unserem Land sehnen sich die Zuschauer nach einem freieren, liberalen Unterhaltungsfernsehen“), wobei man hofft, die Zuschauer vor allem mit Sport locken zu können. Magic Box hat nicht nur die exklusiven Übertragungsrechte für die türkische Fußballiga 1990/91 erworben, sondern wird auch die Spiele der holländischen, schottischen und brasilianischen Liga übertragen, daneben wird es regelmäßig Autorennen, Eiskunstlauf und Basketball geben. Im übrigen wird vorwiegend US-Dutzendware angeboten: Seifenopern wie Dallas, Krimiserien wie Miami Vice, Spielfilme, Zeichentrrickfilme, Live-Popkonzerte unter anderem mit Tina Turner. Nachrichten liefert Ted Turners CNN. Das ausländische Sendematerial wird in die Türkei geschickt, dort synchronisiert und dann nach Ludwigshafen weitergeleitet, wo das AKK-Studio 2 exklusiv für Magic Box zur Verfügung steht. Mit der AKK (Anstalt für Kabelkommunikation), die 23 Mitarbeiter per Dienstleistungsvertrag für STAR 1 beschäftigt, wurde ein Fünf-Jahres-Vertrag geschlossen. Auch in der Türkei, wird, so Toskay, seit Jahren „lebhaft“ über die Einführung von Privatfernsehen gestritten, so daß der Umweg über die Bundesrepublik eines Tages überflüssig werden könnte.
STAR 1 wird sich ausschließlich aus Werbung finanzieren (sechs bis sieben Minuten pro Stunde), die Kosten werden für das erste Betriebsjahr mit 40 Millionen Dollar angegeben Toskay: „Wir werden von der türkischen Werbebranche ohne Vorbehalte unterstützt“ (das türkische Staatsfernsehen TRT finanziert sich zu einem Drittel aus Werbung). Die Zahl der Türken, die über Parabolantennen verfügen oder an Gemeinschaftsanlagen angeschlossen sind, wird von Magic Box auf vier bis fünf Millionen geschätzt; die Zahl der real existierenden Antennen beträgt jedoch nur 25.000 (die Verkabelung des Landes steckt erst im Anfangsstadium). Noch in diesem Jahr sollen weitere 50.000 Parabolantennen importiert werden, wobei in der - ohnehin privilegierten Westtürkei Antennen von 90 bis 120 Zentimenter Durchmesser genügen (Preis: 800 Dollar), während in Mittel- und Ostanatolien die ECS-Signale nur mit sehr großen Anlagen aufgefangen werden können, die zwischen 2.500 und 4.000 Dollar kosten. Toskay ist jedoch optimistisch, daß die Anschaffungskosten für „jede Familie“ zu leisten sind, private und staatliche Banken wollen zu diesem Zweck Verbraucherkredite anbieten.
Der Magic-Box-Vorstandsvorsitzende war vier Jahre lang, bis 1988, Direktor des staatlichen Fernsehens TRT, danach ein Jahr lang Direktor einer Umweltorganisation, die sich um den Erhalt geschützter Gebiete kümmert.
epd
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