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Teilerfolg für Gewerkschaften

Streik in Nicaragua beendet / Löhne verdoppelt / Sandinistische Arbeiterföderation zufrieden  ■  Aus Managua Ralf Leonhard

Ein Streik der Staatsangestellen endete am Mittwoch mit einem politischen Teilerfolg der sandinistischen Gewerkschaften: 100 Prozent mehr Lohn. Doch mußte die bürgerliche Regierung, die noch am Vortag versucht hatte, den Streik gewaltsam zu brechen, monatliche Gehaltsanpassungen in Höhe der Inflationsrate zusagen und bei allen einschlägigen Gesetzesprojekten enge Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften versprechen. Keiner darf wegen des Streiks entlassen werden, und alle in den letzten Wochen gekündigten Arbeiter müssen wieder eingestellt werden.

Lucio Jimenez, der Generalsekretär der Sandinistischen Arbeiterföderation (FNT), lächelte zufrieden, als er nach fast zwanzigstündigen Verhandlungen mit einer Regierungsdelegation vor die Presse trat. Ohne die Beteiligung der Arbeiter kann eine Regierung in Nicaragua nichts ausrichten“, erklärte er. Dies sei der entscheidende Erfolg dieser Gespräche. Tatsächlich mußte Arbeitsminister Francisco Rosales, der am Montag jedem Streikenden mit der sofortigen Entlassung gedroht hatte, eine volle Kehrtwendung vollziehen. Wenn es der Versöhnung und der Verständigung diene, müsse man sich selbst über das Gesetz hinwegsetzen, meinte er. Derselbe Mann, der zwei Tage vorher behauptet habe, „winzige Gruppen“ manipulierten die Staatsbediensteten, verkündete nun, die Sandinisten seien eine wichtige Kraft, die zur Kenntnis genommen werden müsse, und Zentralbankchef Franciso Mayorga räumte ein, daß die ursprüngliche Lohnerhöhung von nur 60 Prozent hinter der Teuerung zu Monatsbeginn zurückbliebe.

Rund 60.000 öffentliche Angestellte waren bis Mittwoch landesweit in Streik getreten und hatten nicht nur den Nahverkehr und das Telefonnetz, sondern auch den internationalen Flughafen und den Unterricht lahmgelegt. Polizeieinsätze und Tränengas zur Räumung der besetzten Ministerien scheiterten ebenso wie die Mobilisierung von Streikbrechern. Als am Mittwoch morgen das Berufungsgericht in Managua entschied, daß der von Rosales für illegal erklärte Streik rechtmäßig sei, hatte die Regierung keine Trümpfe mehr in der Hand. Der Landarbeitsminister hatte den Lohnkampf ursprünglich als politisches Manöver der Sandinisten dargestellt, und die rechte Presse sprach gar von einem geplanten Staatsstreich gegen Frau Chamorro, die gerade drei Wochen im Amt ist. „Wir wollen nicht die Regierung stürzen“, versicherte am Mittwoch Daniel Ortega, „wir wollen alle Stabilität, aber nicht auf Kosten der Arbeiter.“ Der ehemalige Präsident war sichtlich um Vermittlung bemüht.

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