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Herren aus dem Schatten

■ Bahman Nirumand las über die Deutschen / Linke Männchen greifen an

Lange kauern sie still auf ihren Kaffeehausstühlchen, und sind doch deutsche Männer, aber lauschen noch fromm. Aus den Morgenländern spielen da zwei auf, Türke mit Gitarre, Wohlklang pflückend vorm Schalloch, heisere Geige dazu, Algerier, heißt es, und dieser, weißt du, schlängelige Gesang; bunte Musik, Ohrenprospekt, Hitze.

Das Cafe Ambiente ist voll. Bahman Nirumand kommt, der Iraner, der Berliner, der Erzähler und Schreiber. Fast nur ausländische Männer und Frauen sieht man; eine Handvoll Deutsche

darunter, sie lauschen fromm.

An einem Tisch sitzt Bahman Nirumand, die Hand auf ein Buch gelegt. Rundes, dunkles Gesicht, gespitzte Blicke unter Sichelbrauen hervor, langsame Bewegungen. Das Buch heißt: „Leben mit den Deutschen“. Damit wir verstehen, was er daraus vorlesen wird, gibt Nirumand das Inhaltsverzeichnis seines Lebens im voraus. In Iran geboren, infolge der Schah -Diktatur zur Schule gegangen in Deutschland, Studium in Tübingen, promoviert über Brecht, 68 mitgetrommelt, 79 zurück nach Iran: die Revolution, die Revolution; nichts damit, sondern Mullahs; Enttäuschung, Untergrund, Flucht, nach Deutschland. Seit 82 lebt Nirumand in Berlin.

Sein halbes Leben hat er mit den Deutschen zugebracht, und er versteht sie nicht und weiß auch nicht so recht. Erinnern: an den Eintritt hierzulande, als Flüchtling, die erste Ansprache, von einem Polizisten auf der Straße verabreicht; an das Heim der Herrnhuter Brüdergemeinde, wo ein gewesener Wehrmachtsmajor Lehrer geworden und ein Schleiferhund geblieben ist; die Studienzeit in Tübingen, Professoren einerseits, welche die Politik nunmehr verabscheuen wie auch andere Täter den Ort der Tat, und Hölderlin andererseits, Hölderlin, der verehrte. Da verläuft ein Riß, sagt Nirumand, sagen alle, zwischen Hölderlin, Bach, dem Straßburger Münster und „diesen Menschen“, den Deutschen der immerwährenden Mitte, den Lauerern, den Ängstlingen, den Verdrängern, bloß von was.

Nirumand erzählt, in schlichter Rede; die vier, fünf deutschen

Männer lauschen fromm. Als er 82 aus Iran zurückfloh, hat man ihm einen Stempel in den Paß gehauen: Zurückgewiesen. Das Bleiben ist ihm dennoch gelungen, nun bleibt er, in einem Land, wo man ihn duzt und mit seltsamer Grammatik behelligt. Du dich fürchten vor uns? Er fürchtet sich. Jetzt, wo die Deutschen wieder mehr und deshalb in die rempelige Wundergläubigkeit der 50er zurückverfallen sind, jetzt wird es schwer für seinesgleichen.

Seinesgleichen sitzt aufmerksam, dann wird zur Diskussion geladen, und da hält es die vier, fünf deutschen Männer nicht mehr. Fragen haben sie über Fragen, Einwände und Gegenreden, aufmerksam machen müssen sie auf dieses und auf jenes auch; ein Ausländer winkt und will auch was sagen, hoho, dem fahren sie übers freche Maul, und als er's wieder versucht, gleich ein zweites Mal, woraufhin er geht, warte, wir werden dir. Rings das Auditorium ist stumm und muckt nun lang nicht mehr, während vier, fünf deutsche Männer die Rede führen; weil es sich um Linke handelt, hört es sich an wie eine Diskussion.

Von der Kuppel des Cafe Ambiente herab scheint ihnen die Sonne der Weltgeltung, unter dieser nehmen sie gebührenden Platz zwischen dem Pack. Wer wollte zurückbleiben in den Winkeln des Cafes, wenn die Zeit des Heraustretens da ist. Sollen sie heraustreten, die Deutschen, sagte mal einer, ruhig sollen sie heraustreten aus dem Schatten der Geschichte, ist schon recht, ganz meine Rede. Aber einzeln, einer nach dem anderen, mit erhobenen Händen. scha

Bahman Nirumand, „Leben mit den Deutschen“, rororo 1989.

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