: Schamlose Mannen in güldenem Sonnenschein
■ Die gar lieblich anzusehenden Wasserballer aus Spandau trafen sich mit ähnlich unziemlich bekleideten Würzburgern in der Nachbarprovinz Brandenburg - zum properen Gefallen der dort Ansässigen / Gemütliches Freibadspektakel endete 12:10 für die Berliner
Brandenburg (taz)
Ihr lieben Zurückgebliebenen!
Oh, wenn Ihr nur wüßtet! Gescherzt habt Ihr ob meiner abenteuerlichen Gelüste und schalkhaften Grillen, just an jenem so pulsierenden Ende einer Woche hinaus in die Provinz zu fliehen.
Nun lache aber ich, ha! Wo ist's Euch denn wohl ergangen, Freunde? Gut, dem paradierenden echten Adel Reverenz zu erweisen, gereiche Euch zur Ehre, auch wenn der Rahmen befremdet. Denn gleich benachbart ließen sie sich in der steinernen Arena der olympischen Spielerei zu Tausenden gehen, die Freunde und Freundinnen des bein- und bierseligen, schwitzigen Männersportes, in welchem sich nun leider Gottes auch die Frauenzimmer versuchen, mit Verlaub, Igitt! Wem dieses Höllenspektakel nicht grauselig genug, der wollt‘ in den Grunewald wandern zu den erhabenen der Damen, dem weltlichen und geldlichen Adel des weißen, damit reinen Sportes.
Sei's drum, nun endlich mein Bericht. Mich zog's ins Havelland, dort etwas gar Sensationelles zu erleben. Im ehrwürdigen Brandenburg, genauer: hoch über der Stadt auf dem Marienberg, sollt's in der Freibadeanstalt ein Spektakel geben, ganz neu und bisher nicht gewesen.
Nach nur wenig mehr als einer Stunde ist der alte Ort erreicht, den einst der alte Askanier Albrecht, welcher auch „der Bär“ genannt wurde, befriedete. Just über den Straßen, deren Katzenkopfbefestigung jedem Feldweg zur Ehre gereicht, fürchtete ich schon Achsenbruch, als ein großes Schild das Ende der Tortur verhieß.
„Willkommen zum Wasserball“, hieß es dort. Da standen die Menschen, buntes Volk, friedliche Provinzler mit Frau und Kind, aßen tatsächlich die - Verzeihung - Wurst direkt aus der Hand und tunkten erstere dabei in Mostrich. Dazu das bekannte Gebräu, denn viel, es sollten an die zweimal tausend gewesen sein, hatten sich die Kurzweil erlaubt, mit dem Dampfer die Havel hier herauf zu schiffen.
Das Fest war gut im Gange, das Volk hatte nun Platz genommen auf den Wiesen um das Freibadebecken herum, harrend der Programme. Als erstes stiegen junge, furchtlose Kerle auf einen hohen Turm, um sich aus schwindelerregender Höhe mit allerlei lustigen Verrenkungen in das Wasser hinabzustürzen. Was besonders die Weiblichkeit entzückte und den wackeren Mannen imponierte, da die Helden auch in der Badekleidung sich wagemutig und etwas schamlos zeigten.
So richtig verzückt wurde das Publikum, als es ans Spiel ging. Erinnert ihr euch an den Besuch im Aquarium, diese wundersamen Meerestiere, welche zum Schutz absondern, was genannt wird, womit ich schreibe, und die vorzüglich munden? So schaute es aus, wenn sich mehr als ein Dutzend erwachsener Männer im Becken tummelten, um einem schwimmenden Ball hinterherzukraken.
Da naturgegeben nur Köpfe und Arme aus dem Wasser ragten, trugen die Schwimmer bunte Mützen auf den Häuptern, um klar zu unterscheiden, wer mit wem. Es gab große Freude, zu sehen, mit welcher Fertigkeit der Ball geworfen und auch gefangen wurde, wie die Körper aus dem Wasser emporstiegen, der Ball wie verhext an einer Hand klebte und schließlich zum Torgehäuse befördert übers Wasser flitzte.
Natürlich blieben die „Einheimischen“ am Ende erfolgreich. Den Wasserfreunden aus Spandau konnten auch die aus dem entlegenen Franken angereisten Würzburger Schwimmer nicht das Wasser reichen, wie man so sagt. Das Ergebnis war 12:10, doch war es nur so knapp, weil die Spandauer sich teils schon im Wasser im fleißig gegebenen Applaus des Publikums sonnten, welches selber es sich von der Wärme gutgehen ließ.
Noch erstaunlicher, daß selbst am Ende des Spektakels niemand hektisch zu Heim und Herd strebte, um sich die Ereignisse im nahen Berlin zu gegenwärtigen. Ein ruhiger Plausch oder der gemütliche Gang über die bewaldete Kuppe des Marienberges war angenehmerer Müßiggang als das nervierende Treiben der Großstädter, welche da von Vergnügung zu Vergnügung hetzten.
So seht ihr, sollten eure Scherze über Ausflüge in die Provinz verstummen, so denn das Einfache oft durchaus seinen Reiz hergibt, zu wünschen sei, daß ihr es nicht zu toll getrieben und euch erholt dem neuen Streben stellen könnt. Damit verbleibt ehrerbietig
Nik von Schmier
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