: Der Sozialismus geht, die Skipetaren bleiben
Albanien auf dem Weg aus der Selbstisolation ■ K O M M E N T A R E
Wenn Stalins Denkmäler geschleift und die politischen Parolen der Hodscha-Ära nur noch in vager Erinnerung sein werden, wird auf dem Hauptplatz Tiranas immer noch das Reiterstandbild Skanderbegs stehen, und auf der Nationalfahne wird der schwarze Adler der Familie Kastriotis prangen. Der Marxismus-Leninismus albanischer Machart war nur eine Ausdrucksform nationaler Selbstbehauptung wenngleich eine besonders abstoßende und teuer bezahlte. Die Kommunisten Albaniens wandten sich Stalin zu, als sie - zu Unrecht - befürchteten, in die jugoslawische Föderation gezwungen zu werden. Sie brachen mit der Sowjetunion, weil Chruschtschow sich mit Jugoslawien versöhnte und fünfzehn Jahre später mit China, weil die chinesische KP im Rahmen der Drei-Welten-Theorie sich ebenfalls den Titoisten annäherte. In der Debatte, die den Bruch mit China begleitete, schlug eine Fraktion der albanischen KP vor, sich vorsichtig der Europäischen Gemeinschaft anzunähern und so die internationale Isolation zu vermeiden. Mehmet Shehu, damals das Haupt dieser Fraktion, bezahlte seinen Vorstoß mit dem Leben. Jetzt sieht es nach einer baldigen, posthumen Rehabilitierung aus.
Die Sowjetunion wie China haben versucht, die albanische Führung nach ihren Wünschen zu modeln, Chruschtschow wollte darüber hinaus Albanien ökonomisch auf den Stand eines „Gemüselieferanten“ drücken. So berechtigt die Reaktion der Albaner auf diesen Großmachtchauvinismus war, so unsinnig war die Doktrin der Autarkie und die Weigerung, an dem sich abzeichnenden europäischen Entspannungsprozeß teilzunehmen. Die Selbstisolation zementierte den totalitären Überwachungsstaat. Ökonomisch war die albanische Führung in den achtziger Jahren nicht in der Lage, den elenden Lebensstandard der Bevölkerung zu verbessern. Die industriellen Anlagen veralteten immer mehr, so daß Albanien aus seinen beträchtlichen Rohstoff- und Energiereserven keinen Nutzen ziehen konnte. Die Dürre der drei letzten Jahre hat diese Krisensymptome noch verschärft.
Albaniens Führung versucht jetzt ein Manöver, an dem bislang alle realsozialistischen Machthaber gescheitert sind: die Trennung der ökonomischen von der politischen Reform. Aber die Tonlage ist bereits defensiv. Albanien weise, so Ramiz Alia, historisch keine Vorbedingungen für die Übernahme des westlichen Mehrparteiensystems auf. Es habe eben immer nur die Kommunistische Partei gegeben. Nun ja, das kann sich ändern. Die Mode wie die Fernsehantennen sind bereits jetzt auf den Nachbarn jenseits der Adria ausgerichtet. Aber Vorsicht! So leicht werden sich die Skipetaren auch von der EG nicht schlucken lassen.
Christian Semler
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