: Stolper-START vor dem Gipfel
Einigung zwischen Baker und Schewardnadse zum START-Vertrag / Großteil der luft- und seegestützten Cruise-Missiles ausgeklammert / Reduzierung der C-Waffen / Konventionelle Abrüstung weiter umstritten ■ Von Andreas Zumach
Genf (taz) - Der überwiegende Teil see- und luftgestützter Cruise-Missiles soll aus einem Vertrag über die Reduzierung strategischer Waffen zwischen den USA und der UdSSR (START) ausgeklammert bleiben. Mit einer entsprechenden Einigung zwischen US-Außenminister Baker und der sowjetischen Führung am Samstag in Moskau wurde der Weg frei für die Unterschrift der Präsidenten Bush und Gorbatschow unter ein START -Rahmenabkommen bei ihrem Treffen kommende Woche in Washington. Mit der Unterzeichnung des eigentlichen START -Vertrages, der anstatt zur ursprünglich angekündigten Halbierung lediglich zur rund 15prozentigen Verminderung der strategischen Arsenale führen soll, wird jetzt für Ende 1990 gerechnet. Beim Washingtoner Gipfel soll außerdem ein Abkommen über die Reduzierung der Chemiewaffenarsenale unterschrieben werden. Keine Annäherung gab es bei den Moskauer Verhandlungen über konventionelle Streitkräfte. Über Cruise-Missiles, die auf Schiffen und U-Booten stationiert sind, den sogenannten SLCMs, wird es auf Drängen Washingtons lediglich eine „politisch“ - jedoch nicht völkerrechtlich - bindende Vereinbarung außerhalb des START -Vertrages geben. Die Obergrenze für SLCMs wird darin auf 880 festgelegt, das sind hundert mehr, als das Pentagon bisher überhaupt beschaffen will. Baker setzte durch, daß Maßnahmen zur Überprüfung der Einhaltung dieser Vereinbarung nicht vorgesehen sind.
Die Reichweite, ab der flugzeuggestützten Cruise-Missiles (ALCMs) unter Vertragsbegrenzungen fallen sollen, entspricht mit 600 Kilometern Moskaus Position. Baker gab die bisherige US-Haltung (1.000 Kilometer) auf, nachdem Gorbatschow und Schewardnadse trotz heftigen Einspruchs ihrer Militärs zugestimmt hatten, die modernste Cruise-Missiles-Entwicklung der USA, „Tacit Rainbow“, ausdrücklich vom Vertrag auszunehmen. Sie hat eine Reichweite von 800 Kilometern und verfügt über eine Radarlenkung zur Umgehung von Abwehrsystemen. Durch die von Washington durchgesetzte Zählweise fallen nur rund 25 Prozent der tatsächlich vorhandenen ACLMs und ihrer Atomsprengköpfe unter den START -Vertrag: Pro Flugzeug wird nur eine festgesetzte, weit unter der tatsächlich möglichen Traglast liegende Zahl angerechnet, am Boden gelagerte Vorräte bleiben unberücksichtigt.
Die alten C-Waffen-Kampfstoffe der beiden Großmächte sollen auf jeweils 5.000 Tonnen reduziert werden, das sind rund 20 Prozent des derzeitigen US-Arsenals. Washington stimmte laut Baker der „sofortigen“ Einstellung seiner binären C-Waffen -Produktion zu. In den bisherigen Berichten aus Moskau blieb der genaue Zeitpunkt jedoch unklar. Einen Teil ihres auf rund 700 Tonnen angelegten binären Arsenals haben die USA bereits produziert. Moskau ließ sich im Gegenzug auf Washingtons Vorschlag ein, wonach weitere 4.000 Tonnen Kampfstoffe nach Inkrafttreten eines multilateralen Genfer C -Waffen-Verbotes abgebaut werden sollen, die restlichen 1.000 (das sind zwei Prozent der derzeitigen US-Vorräte) jedoch erst dann vernichtet werden sollen, wenn alle „C -Waffen-fähigen“ Staaten dem Genfer Verbotsabkommen beigetreten sind.
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