„...befehle ich die Isolierung folgender Personen...“

■ Bereits vor zehn Jahren plante die Staatssicherheit die Internierung oppositioneller und unbeliebter Personen

Berlin (taz) - Entgegen bisher bekannten Berichten hat der Staatssicherheitsdienst in der DDR bereits spätestens Ende der siebziger Jahre die Internierung von Oppositionellen geplant und die organisatorischen Vorbereitungen getroffen. Dies geht aus einer geheimen Verschlußsache der Stasi (GVS E 055 212) vom 23.10.79 hervor, in der dem „werten Genossen Generalmajor Wagner“ im Berliner Innenministerium die von ihm angeforderten Details über „ein Internierungslager im Bezirk Erfurt“ mitgeteilt werden.

Bei dem „vorgesehenen Objekt“ handelte es sich um das „zentrale Ausbildungslager Rote Jungfront“ der Gesellschaft für Sport und Technik, vier Kilometer außerhalb der Ortschaft Tambach-Dietharz im Kreis Gotha. „Bei Ausnutzung aller Kapazitäten und Aufstellung weiterer Schlaf- und Unterbringungsmöglichkeiten“, wurde an die Berliner Behörde gemeldet, „können zeitweilig maximal 1.500 Personen untergebracht und versorgt werden.“ Die Stationierung einer „Sicherungskompanie“ der Volkspolizei war ebenfalls „geplant und in Vorbereitung“. 110 Volkspolizisten sollten im Bedarfsfall im fünf Kilometer entfernten Ferienheim des „VEB Lufttechnik Gotha“ untergebracht werden. Die Sicherungskompanie, heißt es in der Verschlußsache, stünde „bei offener Mobilmachung nach 18 Stunden und gedeckter Mobilmachung nach 24 Stunden zur Verfügung“.

Betont wurde in dem fünfseitigen Schreiben weiter, daß sich auf dem 50.000 Quadratmeter großen Gelände ein „Appellplatz“ für 1.200 Personen befinde, sich weitere Sicherungseinrichtungen anbringen ließen und daß „das gesamte Objekt von Hochwald umschlossen“ sei. Die „Grundsätze zur Vorbereitung und Durchführung der Isolierung (Kennziffer 4.1.3.) sowie zur Gewährleistung der inneren und äußeren Sicherheit der geplanten Isolierungsobjekte“ wurden in anderen Verschlußsachen niedergelegt, laufende präzisiert und an die Bezirksverwaltungen der Staatssicherheit verschlüsselt übermittelt.

In der Verschlußsache „0005-99/86 - Absender war das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) - wurden die potentiell Betroffenen festgelegt: „Personen, von denen auf Grund ihrer verfestigten feindlich negativen Grundhaltung ... eine akute Gefährdung der staatlichen Sicherheit und Ordnung ausgehen kann oder die solche Handlungen dulden oder unterstützen.“ In „Spannungsperioden oder im Verteidigungszustand sollten danach insbesondere die Mitglieder oppositioneller Gruppen interniert werden, die Träger politischer Diversion sind, die „speziell wegen Staatsverbrechen und anderen operativ bedeutsamen Straftaten“ verurteilt wurden und von denen die Gefahr der Zusammenrottung, des Rowdytums oder der öffentlichen Herabwürdigung ausgehe.

In dem Geheimbefehl 0014-403/89 des MfS wurden schließlich die Justizbehörden, die Militärgerichte, der Polizeiapparat und die Bezirksverwaltungen des MfS zur Zusammenarbeit verpflichtet. Im Komplex der in Spannungsperioden und im Verteidigungszustand eingeleiteten staatlichen Maßnahmen sollten sie „unter allen Lagebedingungen mit den Mitteln der Untersuchungsarbeit einen wirksamen Beitrag zum zuverlässigen Schutz der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung im Territorium leisten“. In dem „Orientierungen“ genannten Befehl, den die Leiter der Hauptabteilung IX (Untersuchungsabteilung), Generalmajor Fister, und der Abteilung XIV (Untersuchungshaftanstalten des MfS), Oberst Rataizick, abzeichneten, wurden die örtlichen Behörden auch verpflichtet, „Untersuchungshandlungen gegen die in spezifischen Vorbeugemaßnahmen zur Festnahme erfaßten Personen“ durchzuführen und bei ihnen straftatverdächtige Handlungen in „Isolierungs-, Internierungs- und Kriegsgefangenlagern“ zu prüfen. „Entsprechende Verwahrraumkapazitäten“ vor Ort sollten danach sichergestellt werden.

Wie ernst es der Staats- und Parteiführung mit ihren Internierungsplänen war, zeigt ein weiterer geheimer Befehl des Leiters der Erfurter Bezirksverwaltung aus dem Jahr 1984. Zur „Realisierung der Maßnahmen der Kennziffer 4.1.3.“ befahl Generalmajor Schwarz im Rahmen einer „Aktion Schild“: „Die Überführung der Personen in das Isolierungsobjekt ... hat in eigener Zuständigkeit zu erfolgen. Es sind alle Voraussetzungen zur Sicherung der Personen zu treffen, um ein mögliches Ausbrechen oder Flüchtigwerden zu verhindern.“

Die Aktion sollte „schlagartig und konspirativ“ durchgeführt und innerhalb von 24 Stunden abgeschlossen werden. Festgelegt wurde unter anderem auch, „was zum persönlichen Bedarf der zu isolierenden Personen“ gehören sollte: zwei Paar Socken, zwei Hand- und Taschentücher und „zweimal Unterwäsche“. Bei flüchtigen oder nicht auffindbaren Personen wurde eine sofortige Fahndung angeordnet.

Ob bei der „Aktion Schild“ tatsächlich Personen interniert wurden oder ob es sich um eine Übung handelte, läßt sich anhand der jetzt bekanntgewordenen Unterlagen jedoch nicht ableiten.

Wolfgang Gast