: Keine reale Abrüstungsbereitschaft
START-Abkommen wird nach Einschätzung von verschiedenen Experten höchstens 20 bis 30 Prozent Waffenreduzierung bringen / Die Devise der US-Regierung heißt immer noch: Umrüsten statt abrüsten ■ Von Andreas Zumach
Genf (taz) - „Auch am Ende des Ost-West-Konfliktes scheinen die USA nicht bereits zu sein, real abzurüsten, geschweige denn ihre modernsten Waffen substantiellen Beschränkungen zu unterwerfen. Sie zielen nach wie vor alleine darauf ab, einseitig die militärischen Optionen der Sowjetunion zu beschneiden,“ so die „Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung“ (HSFK) in einer Studie, die gestern in Frankfurt vorgestellt wurde.
Zu einer entsprechenden Einschätzung gelangt auch der ehemalige Konteradmiral der US-Navy, Eugene J. Carroll, in einem Beitrag für die 'New York Times‘ vom Montag. Die Atomwaffenprogramme hätten bei leicht sinkenden Rüstungsausgaben weiterhin „hohe Priorität“ gehabt, heißt es im neuen Jahrbuch des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI, das ebenfalls Dienstag herauskam.
Die Bush-Administration sei „auf dem Feld strategischer Abrüstung mit der Sowjetunion trotz völlig neuer politischer Rahmenbedingungen bis jetzt außerordentlich zögerlich verfahren“, so Rüstungskontrollspezialist Jürgen Wilzewski in der HSFK-Studie. Daß „die Bush-Administration immer noch auf Umrüstung statt auf Abrüstung“ setze, machten „auffallend hohe Mittelanforderungen für neue strategische Waffenprogramme in den Jahren 1989 und 1990 deutlich.“
Zu den neuen „offensiven Atomwaffenprogrammen“ zählen laut Carroll, heute stellvertretender Direktor des „Zentrums für Verteidigungsinformation“ in Washington, unter anderem der Stealth-Bomber, die Trident-2-U-Boote und -Raketen, „eine neue Rakete zur Stationierung auf Flugzeugen in Europa“ sowie SDI und Antisatellitenwaffen. Zwar konstatieren Wilzewski und Carroll „wachsenden Druck“ des US-Kongresses auf das Pentagon-Budget. Doch bislang hätten „sich die Falken bei den Militärs gegenüber den Politikern durchgesetzt.“
„Beruhigende Hinweise auf eine eventuelle Halbierung der strategischen Atomwaffen durch den seit langem versprochenen START-Vertrag“ dienten „der Vertuschung des Drangs nach offensiven Atomwaffen“, schreibt Carrol. Doch selbst eine 50prozentige Reduzierung werde „nicht alle diese Programme stoppen“.
Nach übereinstimmender Ansicht von Carrol, HSFK und SIPRI wird das START-Abkommen, über dessen Rahmenbedingungen sich Washington und Moskau am Wochenende geeinigt hatten, jedoch nur zwischen 20 und 30 Prozent Reduzierung bringen. „Nach achtjährigen Verhandlungen“, so die HSFK, „bleibt es damit meilenweit hinter den Erwartungen zurück, die an einen tatsächlichen Abrüstungsvertrag am Ende des Ost-West -Konflikts zu stellen sind.“
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