: „Dieses Verfahren konnte nur verloren werden“
Atomrechtler Reiner Geulen, Anwalt der Bürgerinitiativen gegen den Brüter, zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ■ I N T E R V I E W
taz: Hat Sie das Karsruher Urteil überrascht?
Reiner Geulen: Wir hatten den Gang nach Karlsruhe immer als schweren Fehler bezeichnet. Das Verfahren konnte nur verloren werden.
Hatte die Landesregierung denn von Beginn an die schwächere Position?
Wenn man in einem so sensiblen Bereich gegen den Bund agiert und wenn man aus einem Atomprojekt aussteigen will, dann gibt es nur eine Möglichkeit: Die ganz konkrete Knochenarbeit, mit der man mit Gutachten und vielen Details darlegt, warum die jeweilige Atomlage unsicher ist. Wenn man das macht, hat der Bund keine Möglichkeiten zu intervenieren. Und wenn doch, geht man über einen ganz anderen Rechtsweg zum Bundesverwaltungsgericht nach Berlin. Dort wird dann überprüft, ob die Maßnahmen mit dem Atomgesetz vereinbar sind. Düsseldorf ist den falschen Weg gegangen, hat einen verfassungsrechtlichen Grundsatzstreit losgetreten und ist - auch noch schlecht vorbereitet - nach Karlsruhe gegangen.
Was bedeutet die Karlsruher Entscheidung für die Genehmigung des Brüters?
Zunächst bleibt damit ein wesentlicher Störfall aus der weiteren Betrachtung ausgeklammert. Ich glaube aber, daß auch weiterhin weder die NRW-Landesregierung noch Herr Töpfer den Brüter im Grunde haben wollen. Das Ganze war eher ein symbolischer Grundsatzstreit. Vielleicht wird es nach der Bundestagswahl aus Bonn neuen Druck geben, um den Brüter doch noch in Betrieb zu nehmen oder ihn als Plutonium- oder Brennelementlager zu nutzen.
Töpfer sieht sich jetzt aber als Oberaufseher gegenüber den Ländern bestätigt?
Eine Landesregierung, die wirklich entschlossen ist, nach Recht und Gesetz gegen Atomanlagen vorzugehen oder auszusteigen, wird auch mit diesem Urteil nicht daran gehindert. Der Rechtsstreit hat nur gezeigt, wie man es nicht machen darf, nämlich die Entscheidungen nach Karlsruhe zu delegieren.
Trotzdem darf sich Töpfer ermuntert fühlen, ausstiegswilligen, auch rot-grünen Regierungen das Leben mit Weisungen schwerzumachen.
Natürlich versucht Töpfer, die Karlsruher Entscheidung in seinem Sinne auszuschlachten. Aber seine Weisungsmöglichkeiten sind dann erschöpft, wenn eine Landesregierung wirklich sicherheitstechnische Mängel aufzeigt.
Ähnliche Konflikte sind in Gorleben und beim Schacht Konrad absehbar.
Bei den Endlagern Gorleben und Schacht Konrad ist der Bund selbst Antragsteller und Betreiber. Deshalb wäre es problematisch, wenn er zugleich als Weisungsbehörde auftritt. In Gorleben wurde außerdem kein atomrechtliches, sondern ein bergrechtliches Genehmigungsverfahren durchgeführt. Und dabei gibt es kein Weisungsrecht des Bundes. Die Taktik, kein atomrechtliches Verfahren durchzuführen, um damit die Bürgerbeteiligung zu umgehen, rächt sich jetzt für den Bund, der dadurch seiner Weisungsbefugnis beraubt ist. Damit hat das Land freie Handhabe.
Interview: Manfred Kriener
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