: De Maiziere: Auch die DDR muß teilen
■ Ministerpräsident erinnert auf dem Katholikentag daran: „Andere Länder haben weniger große Chancen als die DDR“ / „Die Deutschen müßten sich bewußt bleiben, daß es bei der Überwindung der Spaltung Europas um mehr gehe, als nur um ihr Schicksal und ihr Land“
Berlin (taz/dpa) - DDR-Ministerpräsident Lothar de Maiziere hat am Freitag auf dem 90. Deutschen Katholikentag in Berlin die reicheren Länder Europas aufgefordert, die Staaten, in denen weit größere soziale Sorgen und wirtschaftliche Probleme herrschen als in der DDR zu unterstützen. Er erinnerte daran, daß kein anderer osteuropäischer Staat derzeit so günstige Bedingungen für einen Neuanfang erhalten würde wie die DDR. Diese Länder hätten „nicht die weitgehende Hilfe, um auf den Trümmern einer zentralistischen Parteidiktatur ein rechtsstaatliches, demokratisches Gemeinwesen aufzubauen“.
De Maiziere sprach auf dem Forum „Die Spaltung Europas überwinden - eine Herausforderung für die Christen“. Er sagte, wenn sich Grenzen der Wirtschaftskraft und der sozialen Sorge verfestigten, „dann droht das Einigungswerk steckenzubleiben. Europa braucht ein hohes Maß an Solidarbewußtsein, an Bereitschaft, zu teilen, zu helfen, zu heilen“.
De Maiziere stellte fest, daß das „gegenwärtige Tempo auf dem Weg zur deutschen Einheit“ auch „verständliche Beunruhigung“ auslöse. Die Deutschen müßten sich dabei bewußt bleiben, daß es bei der Überwindung der Spaltung Europas um weit mehr gehe, als nur um ihr Schicksal und ihr Land.
Neben dem Katholikentag und ohne offizielle Unterstützung organisiert die „Initiative Kirche von Unten“ in mehreren großen Zelten am Spreebogen neben dem Reichstag ein oppositionelles Gegenprogramm.
Am Donnerstag abend verabschiedeten mehr als 8.000 Besucherinnen und Besucher einer Veranstaltung zum Thema „Kirche, Macht, Moral“ die „Berliner Erklärung“. Darin fordern sie, daß die katholische Kirche die Gewissensentscheidungen von Christinnen und Christen achtet, daß die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in allen Bereichen und Ämtern gewährleistet ist und daß der herrschende Zentralismus in geschwisterlichem Dialog überwunden wird.
Allerdings setzt sich auch der Katholikentag selbst mit dezentralen Problemen auseinander: In der Halle „Weltkirche“ auf dem Messegelände unter dem Funkturm erinnert ein symbolisches Lager an die Situation der weltweit 15 Millionen Flüchtlinge und an das Schicksal der Asylbewerber in der Bundesrepublik. Noch vor vier Wochen hätte es keiner solchen Aktion bedurft, um auf das Schicksal der Asylbewerber aufmerksam zu machen. Denn hier, in der Halle 9 des Berliner Messegeländes waren tatsächlich bis vor kurzem 500 Asylbewerber untergebracht.
An einem Quiz-Rad wurden die Besucher auf ihre Kenntnisse über die Bestimmungen für Asylbewerber in der Bundesrepublik geprüft. Mitglieder der Berliner Pax-Christi-Gruppe verteilten Lose. Da, wo bei Rummelplatzlosen „Niete“ stand, war auf diesen Losen zu lesen: „Möchten Sie das Los eines Flüchtlings?... Dann heißen sie Christina und sind nach einem Überfall der Renamo auf Ihr Dorf im Nordosten Mocambiques nach Malawi geflohen“, hieß es darunter.
Halle 9 war die kreativste, bunteste und lauteste Halle des katholischen Laientreffens in Berlin. Vielen der Stände, die sich mit Entwicklungszusammenarbeit und Mission befaßten, war die Inspiration durch die afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Partnerländer deutlich anzumerken.
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