: Neue Wunschliste für die Koalition
■ AL legt Forderungskatalog für Gespräche mit SPD über Zukunft der Koalition vor / MVV soll in drei Wochen über Fortbestand des Regierungsbündnisses befinden
West-Berlin. Ein Brief ans Christkind oder Plattform für einen zweiten Koalitionsfrühling? Als „Ergänzung“ zu den Koalitionsvereinbarungen stellten die VertreterInnen von Al -Fraktion und Vorstand gestern einen Forderungskatalog vor, der nun als Grundlage zu Gesprächen mit der SPD über den Fortbestand der Koalition dienen soll.
Beiden Seiten stehen jedenfalls langwierige Sitzungen bevor, will man das Papier in seiner Ausführlichkeit diskutieren. Erste Ergebnisse müßten nach dem Fahrplan der AL schon in drei Wochen vorliegen - denn am 16./17. Juni soll die Mitgliederversammlung der Alternativen entscheiden, ob „das rot-grüne Projekt noch eine Perspektive hat“, so Willi Brüggen, Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses (GA). Ein neues Koalitionsabkommen, so war postwendend von der SPD zu hören, werde es nicht geben. Ansonsten markierte man gestern bei den Sozialdemokraten die Gelassenheit des Stärkeren. „Natürlich sind wir zu Gesprächen mit der AL bereit“, erklärte auf Anfrage der taz der stellvertretende Fraktionspressesprecher, Yorck Kaempfer. „Gesprächsbereitschaft ist bei Koalitionspartnern immer da.“
Detaillierte Forderungen formuliert die AL unter anderem im Bereich der Wirtschafts-, Umwelt-, Sozial- und Ausländerpolitik. Die Berlinförderung soll reformiert, Bonner Gelder in einen neuen, regionalen ökologischen Infrastrukturfonds umgeleitet werden. Kommunale Wirtschafts und Versorgungsbetriebe in Ost-Berlin sollen ebenso erhalten bleiben wie der kommunale Wohnungsbesitz. Die Energieversorgung in beiden Teilen Berlins will die AL im Zuge der Vereinigung ebenfalls kommunalisieren. Bewag, Gasag und das VEB-Energiekombinat wären dann in einem neuen städtischen Eigenbetrieb „Strom, Fernwärme und Gas für Berlin“ zusammenzufassen.
Ein deutlich härterer Umgangston wird im Kapitel „ImmigrantInnen - und Flüchtlingspolitik“ angeschlagen. Hier werden der SPD Widerstand und Verzögerungstaktik bei der Umsetzung der Koalitionsvereinbarungen vorgeworfen - vor allem bei der Einführung des AusländerInnenwahlrechts, worüber die SPD erst nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Dezember entscheiden will. Die Frustration über die opportunistische AusländerInnenpolitik des Koalitionspartners wollen einige in der AL nun am Bonner Ausländergesetz festmachen - ein Streitpunkt, den die Berliner SPD nun nicht verschuldet hat: Wenn mit der SPD nicht „konkrete Fristen“ für die Einführung des kommunalen AusländerInnenwahlrechts sowie die Inkraftsetzung eines Teiles des neuen Ausländererlasses zu vereinbaren sind, wird „die AL der Übernahme des Ausländergesetzes im Abgeordnetenhaus nicht zustimmen.“ So zumindest steht es im Forderungskatalog. Das allerdings würde von der SPD als Koalitionsbruch gewertet, denn die Übernahme von Bundesgesetzen zählt zu den drei „Essentials“ zwischen SPD und AL.
Zum rot-grünen Bündnis, so beteuerte SPD-Sprecher Kaempfer noch einmal, gebe es keine Alternative. Damit wußte sich der SPD-Sprecher einig mit dem AL-Abgeordneten Bernd Köppl, der gestern ebenfalls in die Koalitionsdebatte einstieg und in einem Aufsatz Hiebe an die „SPD-Senatsriege unter dem Kommando von König Momper“ und die eigene Parteibasis verteilte. Angesichts rot-grüner Regierungsperspektiven in Niedersachsen beschwört Köppl - ungekrönter Realo der AL seine Partei, durchzuhalten.
Nur so könne für die kommende Bundestagswahl eine Grundwerte-Entscheidung zwischen Rot-Grün und Schwarz-Gelb ermöglicht werden.
anb
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