: Die Ökobank kann warten...
■ Westdeutsche Banken stecken bereits ihre Claims in der DDR ab. Nur die Ökobank, in der Bankenmetropole Frankfurt am Main ansässig, verhält sich noch sehr zurückhaltend. Genossenschaften und Selbstverwaltung, der Schwerpunkt der Alternativbanker, haben offensichtlich (noch) keine Konjunktur in der DDR.
Mit Dieter Reinke, dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Ökobank, sprach
GEORGIA TORNOW
taz: Going East - das ist die Devise bei allen Sorten Business. Von der Ökobank hört man da nichts. Nehmen die Turnschuhbanker Rücksicht auf die Szene, die der DDR erstmal vor allem die Separat-Entwicklung gönnt?
Dieter Reinke: Nein, das ist es nicht, was uns hindert. Es hat auch Gespräche gegeben zwischen uns und anderen Alternativunternehmen aus dem Westen einerseits und Mitgliedern des Neuen Forums und anderen politischen Initiativen aus der DDR andererseits. Wir wollten ausloten, ob es sinnvoll ist, so eine Art „Entwicklungsagentur“ in der DDR zu installieren. Die Idee war, das Know-how des Gedankens der Selbstverwaltung und das Know-how von Alternativbetrieben in der BRD zusammen mit der Vermittlung von Finanzierungsmöglichkeiten an die Leute zu bringen, die jetzt in der DDR den Weg in eine neue Selbständigkeit antreten. Wir sind damit aber nicht zu Potte gekommen. Mein Eindruck von vielen Treffen und Seminaren: Es ist dafür einfach zu früh. Die Leute in der DDR sind in einem Stadium, wo sie erstmal mit dem Phänomen Marktwirtschaft konfrontiert sind.
In der DDR stehen heute schon viele Menschen auf der Matte mit der Anmeldung eines eigenen Gewerbes. Klar ist auch, daß spätestens nach Einführung der Währungsunion DM -Liquidität fehlen wird - egal, wieviel heute an Ost-Mark auf den Konten liegt. Ist das nicht für eine Bank das Signal?
Aber sicher ist es das. Die anderen Geschäftsbanken treten sich dort ja auch nicht ohne Grund auf die Füße: Die Deutsche Bank kündigt ein flächendeckendes Filialnetz an, die Dresdener tönt auf echt sächsisch „Wir gommen doch von drieben!“ und die Sparkassen erklären, sie wollten die DDR auf gar keinen Fall den Privatbanken überlassen und die Raiffeisenbanken aus dem Westen wollen die ehemaligen Geschäftsstellen aus diesem Bereich jetzt unter die Flagge der Sparkassen bringen - es ist also schwer was los.
Und warum verzichtet die Ökobank auf Geschäft und Einfluß?
Ich habe ja auf den Veranstaltungen immer gesagt, das sind doch herrliche Gründerzeiten heutzutage, da soll man den Konkurrenzkampf aufnehmen. Aber schon das Abstecken der Claims - das passiert jetzt - lassen sich die großen Banken einiges kosten. Die können das auch, während die Ökobank über solche Rücklagen nicht verfügt. Deswegen rate ich den Leuten in der DDR auch, verhandelt ruhig mit denen, wenn es um Existenzgründungen, um Kredite geht, aber eben nicht nur mit einer. Die Ökobank, die kommt dann so in ein, zwei oder drei Jahren ins Spiel, wenn Marktwirtschaft nicht mehr der totale Superstar ist. Das ist dann die Stunde für die Wiederbelebung des Genossenschaftsgedankens.
Alles, was nach drittem Weg riecht lockt keinen mehr hinter dem Ofen vor. Erst müssen die Leute auf die Nase gefallen sein und dann könnt ihr wieder antreten, ist das euer Kalkül?
Es geht darum, daß die Leute erstmal einen realistischen Eindruck, eigene Erfahrungen mit der Marktwirtschaft bekommen. Alles, was bisher da ist, sind Erfahrungen mit den neurotischen Varianten des Sozialismus - eine Gesellschaft eben, die von der national-sozialistischen direkt in die autoritär-sozialistische Formation gestolpert ist. Für genossenschaftliche Tugenden - die ja schließlich auch aus dem frühen utopischen Sozialismus kommen - ist erstmal kein Sensor da. Selbstverwaltung, Selbstorganisation, das ist in der DDR eben gänzlich unbekannt.
Das wäre aber doch erstmal nur ein Informationsdefizit. Ist eure Abwartehaltung angebracht? Schließlich gibt es auch die Suche nach anderer Politik?
Wir stehen ja mit den Leuten in der Diskussion. Bloß - bei dem, was dort jetzt gebraucht wird, kann die Ökobank gar nicht wirklich mit den anderen Banken konkurrieren. In meinen Gesprächen wollte man immer wissen, was wir denn so bieten können - und eigentlich war damit was anderes gemeint als unser üblicher Bankservice, das lag eher auf der Ebene von Subvention. Unser Angebot ist dann auch noch spezifisch, unser Know-how liegt da, wo wir eben Bankservice mit der Erfahrung des Genossenschaftswesens, mit Selbstverwaltung und Selbstorganisation verknüpfen und das weitergeben.
Na schön, ihr seid nicht nur ein Geschäft, sondern auch eine politische Veranstaltung. Versaut euch diese Tatsache hier das Geschäft?
Ach was. Ich bin da ganz gelassen. Auf den diversen Kontakt - und Informationsveranstaltungen sage ich den Leuten immer: „Jetzt ran an die Buletten! - Und in zwei Jahren kommt ihr zu uns, dann ist die Ökobank die richtige Adresse.“ Und ich bin fest davon überzeugt, daß dann die Formen der Absicherung und solidarischen Finanzierung von Projekten im Vordergrund steht. Bloß, momentan fehlt für unser Angebot der sozio-kulturelle Hintergrund, es gibt eben keine Alternativ-Szene in der DDR, wo die Betriebe schon sowas wie Bankservice mit all seinen formalen Konditionen und Absicherungen nachfragen würden.
Nun ist ja von der Ökobank bekannt, daß sie auf einem großen Kredittopf sitzt und in der Klemme zwischen strengen Vergaberichtlinien und Laxheit der Kunden das Geld nicht ausgeben kann. Ist da nicht eine vielleicht ernsthaftere Kundschaft in der DDR die ideale Lösung?
Wir sitzen nicht auf einem Kredittopf, wir sind etwas passivlastig - so heißt das in der feinen Bankersprache. Aber das Leben im Kreditgeschäft geht nun mal davon aus, daß man Kredite nicht ohne weiteres und breit unters Volk streuen kann. Dafür gibt es Rahmenbedingungen, die fangen mit Sicherheiten an und hören bei der Frage nach der Kreditfähigkeit des Kunden auf. Ob die Bank sowas einhält, wird ja nun von den diversen Aufsichtsgremien genauestens überprüft. In diesem Feld ist ja die DDR für uns ein ganz unbekanntes Land. Wie wollen wir denn die Geschäftsführungsqualitäten von Menschen beurteilen, von denen wir ganz genau wissen, daß sie mit solchen Strukturen gar keine Erfahrung haben können. Sowas macht die potentielle Kundschaft nicht gerade einfacher.
Es ging das Gerücht, die Ökobank würde einen besonderen Fonds für das DDR-Geschäft auflegen, etwa einen Ökobank -Sparbrief „DDR“. Ist das out?
Nein, überhaupt nicht. Wir werden es mit Sicherheit machen, sobald die Nachfrage da ist. Grundsätzlich sind ja alle Sparbriefe, die wir aufgelegt haben, von unseren Kunden verlangt worden. Sobald solche Kundenwünsche aus der DDR wirklich konkrete Gestalt annehmen, werden wir den entsprechenden Sparbrief präsentieren.
Die Ökobank pflegt als bundesdeutsches Flaggschiff der Selbstverwaltung intensive Kontakte zur restlichen westeuropäischen Genossenschaftsbewegung. Wie wird dort die Entwicklung in der DDR und in Osteuropa beurteilt?
Die Rückmeldungen sind einfach niederschmetternd. In der letzten Woche hat mir in London ein immer sehr gut über den Ostblock informierter Gewerkschaftssekretär ganz entsetzt gesagt: „It's hopeless, it's absolutely hopeless!“
Was ist hoffnungslos?
Die wirtschaftliche Lage. Die Ausgangslage ist hoffnungslos. Die DDR, die hat ja noch den reichen Onkel, hat der gemeint, aber Polen, Ungarn, die Tschechoslowakei, die haben das nicht. Deren einzige Chance besteht darin, Kolonien zu werden - naja, das ist wohl eher das britische Modell. In Brüssel höre ich beim europäischen Dachverband der selbstverwalteten und genossenschaftlichen Wirtschaft, CECOP, ähnliche Töne. Die westeuropäischen VertreterInnen des Genossenschaftsgedankens sehen sich jetzt Leuten vis a vis, die mit der Kommandowirtschaft ökonomisch völlig abgewirtschaftet haben und eigentlich am Nullpunkt anfangen, während die Genossenschaftsbewegung im Kapitalismus durchaus nicht nur lebensfähige, sondern auch ökonomisch wie kulturell attraktive alternative Strukturen hervorgebracht hat.
Wachsen und gedeihen Genossenschaften nur auf kapitalistischem Mist?
Das muß ich mir nochmal überlegen. Ich glaube, das ist durchaus möglich.
Was ist denn vom Aufsichtsrat der Ökobank die Vision für
-dann wohl nur noch die ehemalige - „DDR 2001“?
Als Utopie im Bloch'schen Sinne würde ich darauf hoffen, daß dann in der DDR wirklich den Boden für ein neues Wirtschaften bereitet ist. Die konkreten eigenen Erfahrungen mit der autoritären staatsozialistischen Wirtschaft und dem ersten Jahrzehnt Marktwirtschaft a la Modell Deutschland, mit den beiden antagonistischen Modellen des dann vergangenen Jahhunderts, sind dort so geballt vorhanden, wie sonst nirgends auf der Welt. Das sollte Stoff genug sein für eigensinnige Lösungen.
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