: „Die Gewalt wird noch zunehmen“
Larry Jagan sprach mit Thuang Tun von Birmas Demokratischer Studentenfront ■ I N T E R V I E W
taz Können Sie uns von den Kampfhandlungen entlang der thailändisch-kambodschanischen Grenze berichten?
Thuang Tun: Seit Ankunft der Studenten, die sich vor den Razzien der birmesischen Militärs noch flüchten konnten, ist diese Region zunehmend ins Visier der birmesischen Armee geraten. Die militärischen Offensiven sind aber nicht nur auf die Dezimierung der Studenten, sondern auch der ethnischen Minderheiten Birmas in diesem Gebiet angelegt. Mit dieser Machtdemonstration der Militärs sollen aber auch die demokratischen Kräfte innerhalb Birmas eingeschüchtert werden. Seit Einsetzen der Trockenzeit zu Beginn des Jahres geriet das Grenzgebiet immer mehr in die Schußlinie. Einige Lager wurden sogar hinterrücks von thailändischem Boden aus angegriffen und gerieten in die Hände der birmesischen Armee.
Auf gleichem Weg wurde zuvor schon das Lager der Karen in Palhu von der birmesischen Armee eingenommen. Unterdessen kontrolliert die Armee dieses Gebiet, und fast 10.000 Karen und Studenten waren gezwungen, in Thailand Zuflucht zu finden. Sie attackierte schließlich auch die Hauptquartiere.
Wieviele Opfer hatten Sie in den letzten Monaten zu verzeichnen?
Auf seiten der Studenten und der ethnischen Minoritäten ist die Zahl der Opfer relativ gering. Neun Studenten wurden verwundet. Und etwa 100 Kämpfer mußten ihr Leben lassen.
Mit ihrer Europareise weisen sie auch auf die Menschenrechtssituation in Birma hin.
Die Situation hat sich im vergangenen Jahr noch verschlimmert. Nahezu 3.000 Dissidenten und politische Aktivisten wurden festgenommen, und die meisten der Studentenführer verhaftet. Auch der 26jährige Biologiestudent Min Ko Naing, der zum charismatischen Sprecher der Demokratiebewegung wurde, sitzt noch hinter Gittern und soll gefoltert worden sein. Obschon die Regierung im vergangenen Jahr versprochen hat, Wahlen durchzuführen, gewährt sie noch lange nicht so fundamentale Rechte wie das der Redefreiheit, Versammlungs- oder Pressefreiheit.
Weshalb werden nach Ihrer Meinung die Wahlen weder frei noch fair sein?
Bekanntlich werden die Wahlen abgehalten, während die meisten Oppositionsführer entweder aus dem Rennen geworfen wurden oder unter Hausarrest stehen. Freie Wahlen können auch nur ein Schritt zur Lösung der birmesischen Probleme sein.
Denn solange nicht der schwelende Bürgerkrieg befriedet ist, werden keine demokratischen Verhältnisse einkehren können. Bis heute gibt es keine verbriefte Verfassung, noch ist nicht einmal klar, wie das Parlament aussehen soll. Die anstehende Wahl wird lediglich ein Marionettenregime der birmesischen Armee bestätigen.
Was wird nach den Wahlen geschehen?
Gewalt und Unsicherheit werden noch zunehmen. Denn den meisten wird bewußt werden, daß diese Wahlen weder frei noch fair vonstatten gehen, und daß sie einen anderen Weg einschlagen müssen, wenn sie Birma in eine Demokratie verwandeln wollen.
Wie wird das Militär reagieren, wird es da zu Spaltungen kommen?
Innerhalb der Armee gibt es zwar auch Anhänger der Demokratie, aber es ist natürlich schwer, über eine Spaltung zu spekulieren. General Ne Win vermochte es in den 26 Jahren seiner Amtszeit, systematisch eine Militärdynastie aufzubauen und die obersten Ränge mit Privilegien bis heute bei der Stange zu halten. Und die Soldaten kennen nichts anderes, als Befehlsgehorsam. Es fällt schwer, sich vorzustellen, daß es innerhalb des Militärs einen Wandel geben sollte.
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