Sponsor verzweifelt gesucht

■ Der TSC Berlin, einst von der DDR-Regierung hochsubventionierter Leistungssport-Verein, geht zwischen Bratwurst und Weltmeister auf die Suche nach einem neuen Image: Die „Sportparty für Berlin“ als erster Schritt in Richtung Breitensport

Ost-Berlin (taz) - Das Ziel des Turn- und Sportclubs Berlin (TSC) war bislang buchstäblich festgeschrieben. „Weltspitzenleistungen auf dem Weg zu Olympia zum Wohl der DDR und unserer Hauptstadt Berlin“ gelobt noch heute ein Wandbehang im TSC-Sportzentum in der Paul-Heyse-Straße.

Das Plansoll wurde stets erfüllt. 137 Trainer kümmerten sich in elf Sportdisziplinen um die Elite des DDR-Sports. Die Früchte ihrer Arbeit können in den Gängen des „TSC -Objekts“ bestaunt werden. Dort hängen die Portraits der erfolgreichsten AthletInnen, allen voran die Olympiasieger Detlev Michel (Speerwerfen) sowie Ulf Timmermann (Kugelstoßen). Doch diese Kaderfabrik für olympische Medaillenträume wird von einer schweren Krise heimgesucht. Die finanziellen Unwägbarkeiten im zukünftigen DDR-Sport lassen auch im größten zivil geführten Verein des Landes dunkle Zukunftsängste keimen. „Wie es weitergeht, wissen wir im Moment noch nicht“, schüttelt TSC-Vorsitzender Klaus Schönberger den Kopf, „das wird sich frühestens im Juni oder Juli zeigen.“

Bisher flossen staatliche Gelder an den TSC, der nie, wie sonst landesweit üblich, an ein Kombinat angeschlossen war. Fünf Millionen Mark betrug die Staatssubvention im letzten Jahr. „Die Benutzung der Sportanlagen kostete uns kein Geld. Das wird sich wahrscheinlich ändern“, so Schönberger weiter, der angesichts des kommenden Umbruchs auf Sponsorensuche gegangen ist. Sein Plan: „Wir werden uns nicht an einen einzigen Sponsor binden, sondern wollen eine ganze Reihe Geldgeber gewinnen.“

Um den Verein aus seiner bisweilen elitär anmutenden Isolation an die Fleischtöpfe der Wirtschaft zu führen, veranstaltete der TSC am Samstag eine „Sportparty für Berlin“. Ziel war nicht mehr, das Wohl der abtretenden DDR zu steigern; vielmehr wollte sich der Club als zukünftiger Hort des wirtschaftlich lukrativen Breitensports präsentieren, wenngleich „der Spitzensport bei uns weiterhin im Vordergrund stehen wird“, wie Klaus Schönberger zugab.

So zeigte der TSC am Samstag, was er zu bieten hat: vom Gewichtheben, Radfahren, Turnen, Volleyball über Selbstverteidigung, Boxen bis hin zum Eiskunstlaufen in der nahegelegenen Werner-Seelenbinder-Halle demonstrierten die Vereinsaktiven einen beeindruckenden Leistungsstand. Der Sport der breiten Masse jedoch, das war auf den ersten Blick zu erkennen, fristete ein Schattendasein. Es kümmerte niemanden, als die Familie Schmidt im Kollektiv über einen Hindernisparcours hechelte. Die Leute waren da, wo die Action ist: beim Frauen-Handball zwischen den Auswahlteams aus Sachsen und Berlin oder dem Kinderturnen, einem akrobatischen Umherschleudern biegsamster Kleinkörper.

„Eine Leistungsgesellschaft wird nie auf den Spitzensport verzichten“, meinte denn auch Olympiasieger Ulf Timmermann gegenüber der taz. Der just entthronte Kugelstoß -Weltrekordler sieht den Wandel im TSC, dem er immerhin seit 15 Jahren angehört, positiv: „Die Rahmenbedingungen im DDR -Sport müssen sich ändern. Es bestehen auch gute Chancen, daß dieser Wandel gelingt.“

Dennoch schwangen in den Worten des frisch gekürten Mitglieds des DTSB-Präsidiums, des Dachverbandes des DDR -Sports, auch unüberhörbar kritische Untertöne mit. Ob er seinem Stammverein treu bleibe, falls bei der Leistungsspitze Abstriche zugunsten der breiten Sportler (hicks, d.S.) gemacht würden? „Man soll niemals nie sagen. Schließlich muß ich auch daran denken, wie ich mein Geld verdiene.“

Dieselbe Urangst trieb zahlreiche Konzerne zum TSC-Gelände, die das Areal mit ihren Buden zudeckten. Ob Kosmetika, Zeitungen, HiFi-Händler oder der dreigestreifte TSC-Sponsor

-sie alle wollten den Anschluß nicht verpassen. „Bestellen Sie jetzt, bezahlen Sie erst im September“, lockten sie den geldgebeutelten DDR-BürgerInnen die kommende Westwährung aus der Tasche.

Auf mehr als ideelle Unterstützung hofft hingegen TSC -Vorsitzender Klaus Schönberger. Der ehemalige Leichtathlet schlenderte mit Manfred von Richthofen, Chef des Westberliner Landessportbundes, und Gerhard Heinze, DDR -Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), über den Platz. Längst haben sich Arbeitsgruppen konstituiert, die sich mit dem „Ineinanderfließen des Sports in West- und Ost-Berlin“ (Schönberger) befassen.

Daß es dabei in erster Linie darum geht, die Olympischen Spiele an die Spree zuholen, daraus machte Klaus Schönberger kein Hehl: „Die Gesamtberliner Olympiade wäre für uns ein Glücksfall, da sich viele Sponsoren auf die Stadt und ihre Vereine konzentrieren würden.“ Aus diesem Grund sehen die TSC-Verantwortlichen momentan auch keinen Anlaß, den eingangs erwähnten Wandspruch zu entfernen: “...zum Wohle unserer Hauptstadt“.

Jürgen Schulz