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Die SPD-Fraktion beginnt aufzumucken

■ ImmigrantInnenpolitik des Momper-Senats ist SPD-Fraktionären und Teilen der Kreisverbände zu lasch / Ausländerpolitischer Sprecher Barthel ist „stinksauer“

West-Berlin. Im Vergleich zum kleinen Koalitionspartner geben sie nach außen meist das Bild einer braven Schulklasse ab - nun rumort es auch einmal in der SPD-Fraktion. Konfliktpunkt ist die Ausländer- und Flüchtlingspolitik des Senats, deren Resümee nicht nur bei der AL und in zahlreichen ImmigrantInnen- und Flüchtlingsorganisationen den Frustrationspegel steigen läßt, sondern auch innerhalb der SPD. Als „mehr als dürftig“ wertet der ausländerpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Eckhardt Barthel, die Bilanz des rot-grünen Senats in einem Papier, das in der Klausurtagung der SPD am letzten Wochenende vorgelegt wurde. „Wir haben wenig vorzuweisen“, heißt es darin, um die in den Koalitionsvereinbarungen formulierte Zielsetzung einer humanen Flüchtlings- und ImmigrantInnenpolitik glaubwürdig erscheinen zu lassen.

Vor dem Hintergrund des zunehmenden Rassismus in beiden Teilen der Stadt befürchtet Barthel, der durchaus auch positive Ansätze in der rot-grünen Ausländerpolitik sieht, daß „dieser Senat die Brisanz dieses Themas nicht erkennt“. Nachdem die Glaubwürdigkeit der SPD mit ihrer Verzögerungstaktik zur Einführung des kommunalen Ausländerwahlrechts nicht nur bei den ImmigrantInnen in der Stadt bereits massiv gelitten hat, ist man in Teilen der Fraktion besonders erbost über die Ignoranz im Hause Pätzold in Sachen Ausländererlaß. Ein entsprechender Entwurf war im November letzten Jahres von der Innenverwaltung vorgestellt und scharf kritisiert worden, weil er in weiten Teilen mit dem Erlaß von Ex-Innensenator Kewenig (CDU) übereinstimmt.

Die parlamentarische Verabschiedung des Erlasses steht, kurz vor dem Inkrafttreten des Bonner Ausländergesetzes, ohnehin nicht mehr auf der Tagesordnung. Mitte Februar einigten sich beide Fraktionen jedoch mit dem zuständigen Innenstaatssekretär, Borrmann, darauf, zumindest die verbleibende Zeit noch zu nutzen und möglichst schnell einige Verbesserungen der aufenthaltsrechtlichen Situation umzusetzen: man einigte sich auf sieben Punkte - unter anderem sollen weder Sozialhilfebezug noch die Größe der Wohnung als Kriterium für eine Aufenthaltserlaubnis gelten dürfen. Seitdem hüllt sich die Innenverwaltung jedoch in Schweigen. Morgen soll sich nun Innensenator Pätzold in der SPD-Fraktionssitzung dazu äußern.

Unmut wächst auch in den Kreisverbänden. Nachdem das kommunale Ausländerwahlrecht in den Ostberliner Koalitionsverhandlungen von der SPD als Selbstverständlichkeit betrachtet und von der CDU sogar mitgetragen wurde, wird auch an der West-SPD-Basis überlegt, die sofortige Einführung des kommunalen Ausländerwahlrechts zu fordern - und nicht bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Winter zu warten. Letzeres hatten SPD-Landesvorstand und Fraktion nach kontroverser Diskussion unlängst noch beschlossen.

anb

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