: Lob und Tadel für Lafontaine
■ Ein Grundsatzstreit innerhalb der SPD oder „typischer Bonner Sturm im Wasserglas“? / Schröder stützt Lafontaine, 'Bild'-Zeitung sieht schon seinen Sturz
Berlin (ap/taz) - Nachdem am Sonntag Oskar Lafontaines innerparteiliche Gegner über den SPD-Kanzlerkandidaten hergefallen waren, ergriffen gestern seine politischen Freunde das Wort in der Kontroverse um den Staatsvertrag. Lafontaines designierter Nachfolger als saarländischer Regierungschef, Reinhard Klimmt, forderte die SPD auf, im Bundestag den Vertrag abzulehnen und im Bundesrat passieren zu lassen.
Sollte die Fraktion zustimmen, so Klimmt, „wäre dies eine äußerst kritische Situation“. Man müsse „erwarten können, daß die Bundestagsfraktion der SPD auf den von der Partei nominierten Kanzlerkandidaten Rücksicht nimmt“. Auch Niedersachsens künftiger Regierungschef, Gerhard Schröder, stärkte seinem Freund den Rücken. Der Staatsvertrag sei in der vorliegenden Form nicht zustimmungsfähig. So habe es der Vorstand letzte Woche einstimmig beschlossen. Schröder betonte, er sei „ganz sicher“, daß die Fraktion „ziemlich geschlossen diesem Staatsvertrag nicht zustimmen wird“. MdB Heidemarie Wieczorek-Zeul hält den innerparteilichen Streit für inszeniert, die Personaldiskussion sei schädlich. Schließlich zittere die CDU vor Oskar Lafontaine.
Angeheizt wurde die Spekulation um Lafontaines Rücktritt vor allem von der 'Bild'-Zeitung. Das Blatt schrieb einen „Aufstand in der SPD“ herbei und titelte: „Wankt Lafontaine
-kommt Momper?“. West-Berlins Regierender hatte am Sonntagabend in Anspielung auf Lafontaines Kritik am Tempo der deutschen Einheit behauptet, wer jetzt den Staatsvertrag ablehne, beschwöre das Chaos in der DDR herauf.
Kritik an Lafontaine kam auch von der stellvertretenden SPD -Vorsitzenden Herta Däubler-Gmelin: Seine deutschlandpolitische Linie sei „nicht ganz überlegt“, das empfohlene unterschiedliche Abstimmungsverhalten „nicht schlüssig“. Das SPD-Präsidium vertagte gestern ein eindeutiges Votum zum Staatsvertrag. Der Parteisprecher Eduard Hansen erklärte unmittelbar vor der Sitzung, der Streit um Lafontaines Strategie sei nichts weiter als „ein typischer Bonner Sturm im Wasserglas“.
peb
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