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Zero für die Guerilla-Tradition

Nicht die Kokainbarone störten die Stimmabgabe am Wahltag, sondern die als castristisch bezeichneten Guerilleros der ELN: In abgelegenen Dörfern griffen sie Polizeipatrouillen an, entführten Bürgermeister und vernichteten Stimmzettel. Die Wahlergebnisse dürften die KämpferInnen jedoch eher traurig gestimmt haben. Ihre ehemaligen Guerilla-Gefährten der M-19, die sich - entwaffnet - zu einer legalen Partei zusammenfanden, landeten den größten Wahlerfolg in der Geschichte der kolumbianischen Linken. Auch der Sieg Cesar Gavirias, der voraussichtlich die Friedenspolitik seines Vorgängers fortführen wird, könnte als ein Nein der Kolumbianer zur Guerilla und als Ja zum Frieden gedeutet werden. Schlechte Zeiten für Aufständische, obwohl die Guerilla seit Jahren zum festen Bestandteil der kolumbianischen Gesellschaft gehört.

Der nach wie vor existierende soziale Zündstoff hat ermöglicht, daß die rund 10.000 bis 15.000 KämpferInnen der Guerilla-Bewegungen bald ihr dreißigjähriges Jubiläum feiern können. Etwa 7 Prozent der Landbesitzer gehört 83 Prozent der urbanen Fläche Kolumbiens, während die restlichen 93 Prozent der Bauern sich mit 17 Prozent der Agrarfläche begnügen müssen. Zu einer derartig ungleichen Verteilung des Reichtums gesellt sich ein politisches System, von dem ein Großteil der Gesellschaft faktisch ausgeschlossen ist, sowie ein Staat, der sich in vielen Regionen nur spärlich durch öffentliche Einrichtungen bemerkbar macht.

Von einem „permanenten Aufstand“ redet deshalb ein amerikanischer Politologe. Aufstand - nicht Revolution. Denn selbst bloße Hoffnungen auf eine Machtübernahme der Guerilla sind utopisch. Besonders die städtische Bevölkerung hält jeden Tag weniger von ihrer, zumeist ländlichen Avantgarde. Guerilla-Dasein ist in vielen Regionen zu einem entpolitisierten Lebensstil verkommen, bei dem es darum geht, ein erträgliches Lagerleben zu führen und sich eher selten mit den Streitkräften ein Gefecht zu liefern. Die Hauptsorge der meisten Guerilla-Fronten ist nicht so sehr die Machtübernahme, sondern die Erschließung von immer neuen Einnahmequellen, um die Truppen zu finanzieren. Entführungen und Bomben, Erpressung und Mord: In Sachen Geld ist nichts zu verachten. Gerade diese Gewalt hat zu brutalen Reaktionen der Großgrundbesitzer, Drogenmafiosi und lokalen Politiker geführt, die, Hand in Hand mit den Militärs, Todesschwadronen heranzogen. Hauptleidtragender des Konfliktes ist dann immer die zwischen die Fronten geratene Zivilbevölkerung.

Angesichts der aussichtslosen Lage haben einige Guerilla -Bewegungen damit begonnen, erstmals seit den gescheiterten Verhandlungen von 1984, einen Dialog mit der Regierung anzupeilen. Den Anfang machte die linksnationalistische M-19 -Bewegung, deren rund 500 KämpferInnen nach langwierigen Verhandlungen mit der Regierung im März ihre Waffen niederlegten. Die Ermordung ihres Kommandanten und Präsidentschaftskandidaten Carlos Pizarro machte Ende April jedoch deutlich, wie wenig die äußerste Rechte von solchen Friedensbemühungen hält. Trotzdem will nun auch eine Mehrheit der Kommandanten der maoistischen, höchstens 3.000 Guerilleros umfassenden EPL dem Verhandlungsfahrplan von Barco und seinem Nachfolger Gaviria folgen: erst eindeutige Friedensbekundungen der Guerilleros, dann Zusammeschluß aller KämpferInnen in einigen wenigen Lagern, um von dort aus zu verhandeln, und zum Schluß die Waffenübergabe. Auch die winzigen Guerilla-Gruppen Quintin Lame und PRT, die zusammen nicht auf 500 Leute kommen dürften, wollen mitmachen. Alle verhandlungswilligen Bewegungen schielen auf eine verfassunggebende Versammlung, die nach dem Volksentscheid am Sonntag in den nächsten Monaten einberufen wird und in der die ehemaligen Guerilleros wirkungsvoll die politische Bühne betreten könnten.

Dort Reden schwingen würden die orthodoxen Kommunisten der FARC auch gerne - allerdings unter anderen Bedingungen. Ihr Fahrplan lautet: erst tiefgreifende Reformen, dann Wiedereingliederung ins zivile Leben. Nicht nur die Regierung zweifelt dabei an ihrem Friedenswillen - auch unabhänigige Beobachter vermuten hinter den Maximalforderungen den Gedanken, am erträumten Volksaufstand weiterzubasteln. Zumindest auf einem Gleis scheint dabei die größte der kolumbianischen Guerillabewegungen in der Geschichte stehenzubleiben: an den Prinzipien des Kommunismus hat keiner zu rütteln. Chefideologe Jacobo Arenas erzählt jedem, der es hören möchte, Gorbatschow sei ein getarnter CIA-Agent. Der Gralshüter in einem Gespräch mit dem deutschen Journalisten Martin Vittinghof: „Von diesen Bergen aus sage ich der bourgeoisen Weltöffentlichkeit, sie soll sich nicht die geringsten Hoffnungen machen.“

Noch weniger von Verhandlungen halten die etwa 5.000 Guerilleros der ELN unter der militärischen Führung des ehemaligen spanischen Priesters Manuel Perez. Durch die Erpressung internationaler Multis, unter ihnen der deutschen „Mannesmann“ reich geworden, will die ELN nur über eine „Humanisierung des Krieges“ und eine Änderung der tatsächlich skandalösen Verträge mit den Erdölmultis verhandeln. Mit bislang 123 Sprengungen der größten Öl -Pipeline Kolumbiens verursachte die ELN wiederholt durch in Seen und Flüsse auslaufendes Erdöl ökologische Katastrophen.

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