Weibliches Einfühlungsvermögen

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(Jeanne Moreau - ein Portrait von Corinne Pulver, Mo., 22.50, West 3) „Ein Schauspieler ist kein richtiger Mann“, sagte Jeanne Moreau in einem französischen Fernsehinterview. Für die Schauspielerei bedürfe es weiblichen Einfühlungsvermögens, und deswegen könne sie keinen Schauspieler lieben. Schauspieler seien, was in der Natur der Sache liege, einfach zu weiblich.

Im Gegensatz zu vielen anderen Interviewpartnern spricht die Moreau vollkommen ohne Pathos, mit einer ruhigen, keineswegs abgeklärten Selbstverständlichkeit, so daß man beinahe den Sinn ihrer Worte überhört, um nur dem faszinierenden Klang ihrer Stimme zu lauschen. Es ist das Verdienst dieses außergewöhnlichen Porträts von Corinne Pulver, zwischen den wahrscheinlich unvermeidlichen Verklärungen und larmoyanten Mystifizierungen (zum Beispiel: „Die Liebe einer Welt, von der sie sich seit der Kindheit ausgeschlossen fühlte“) immer wieder Momente einzufangen, in denen die ganze Natürlichkeit des Menschen Jeanne Moreau hervortritt. Zum Beispiel wenn sie in ihrer Garderobe, in der das Rauchen streng verboten ist, demonstriert, wie sie, um den Rauch zu übertünchen, Parfum in die Luft sprüht und die Kippen in einer Plastiktüte sammelt, um sie anschließend vor dem Feuerwehrmann in einer Schublade zu verstecken. Oder wenn sie, nach ihrem Vater befragt, ohne Umschweife erklärt, ihr höchstes Ziel sei es, ihrem (verstorbenen) Vater die Schönheit dieses Berufs zu zeigen, den dieser stets abgelehnt hatte. Daraus schöpfe sie ihre schauspielerische Energie. Das sind die Momente, in denen das Rätsel, ob Jeanne Moreau nun gerade eine Rolle spiele oder ob sie privat sei, sich unversehens als Lösung präsentiert. Für den, der versteht, hinzuschauen. Und dafür bietet der 90minütige Film reichlich Gelegenheit.

Jeanne Moreau verstand sich in ihrem Werk auf das Studium der Gefühle der Frau. Sie spielte stets extreme Typen zu einer Zeit, als klassische Frauenrollen noch in Mode waren. Zahlreiche (bisweilen etwas lang geratene) Filmausschnitte dokumentieren ihre Zusammenarbeit mit nahezu jedem namhaften Regisseur: Welles, Losey, Bunuel, Truffaut, Malle, Fassbinder etc. Angenehm im Hintergrund bleibt der Starrummel während ihres Welterfolges in der Theaterinszenierung Celine von Klaus Michael Grüber vor zwei Jahren. Wir können indessen eine schlagfertige Moreau beobachten, einfach nur beobachten, die bei jedem Interview zwar geduldig Rede und Antwort steht, doch hin und wieder den Wortscheißern vom Tagesfeuilleton Einhalt gebietet: „Nur Banausen sehen meinen Erfolg als Comeback“ oder, nach ihrer persönlichen Botschaft gefragt: „Nur Postboten überbringen Botschaften“.

Rie