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Schwarze Schafe in der Medizin

Der Fachverband Deutscher Heilpraktiker Nordrhein-Westfalen wehrt sich gegen „Hetzkampagnen“ der Mediziner  ■  Von Petra Dubilski

Ein Medizinstudium ist hart. Nicht nur, daß nur einige wenige Auserwählte in den Genuß der jahrelangen Strapaze dieser Ausbildung kommen. Sie ist zudem teuer, fordert den ganzen Menschen und überträgt schließlich ein Höchstmaß an Verantwortung. Wer es geschafft hat, und diesen Beruf schließlich ausübt, wird seinen Stand mit aller Kraft und Stolz verteidigen: Auch gegen Heilmethoden, die in ihrer Schulweisheit nicht vorkommen, und gegen Heilpraktiker, denen jegliche therapeutische Befähigung abgesprochen wird, da sie nicht den selben Ausbildungsweg vorweisen können.

Als „unsinnige Hetzkampagnen“ und „munteres Schüren von haltlosen Vorurteilen“ hat jetzt der Fachverband Deutscher Heilpraktiker in Nordrhein-Westfalen die Medizineranwürfe bezeichnet. Der aktuelle Grund: Die Ärztekammer Nordrhein hatte zuvor in einer Pressemitteilung vor „falscher Sicherheit bei Heilpraktikern“ gewarnt. Ärzte warnen gern, wie wir alle wissen: Vor Zigaretten und Alkohol, vor zu fettem Essen und zu langen Sonnenbädern. Aus einsichtigem Grund. Eine Warnung vor Heilpraktikern jedoch impliziert, daß deren Behandlungsmethoden ebenso gesundheitsschädlich ist wie obiges Konsumverhalten. Die Vermutung liegt nahe, daß die Ärzteschaft jedoch weniger um die Gesundheit der Patienten bangt, denn um den bedingungslosen Glauben an eine technisch-wissenschaftlich orientierte Medizin. Von wirtschaftlichen Interessen auch seitens der Pharma -Industrie mal ganz abgesehen.

Das Kompetenzgerangel beider Berufsstände existiert bereits, solange es Naturheilkundige und Schulmediziner gibt. Beide gehen von einem völlig unterschiedlichen Weltbild aus, das zu vereinen nicht nur in diesem Bereich unmöglich erscheint. Die wissenschaftliche Grundlage der Schulmedizin bezieht sich ganz und gar auf die Krankheit, auf das Symptomatisch-Somatische. Wer beispielsweise mit Magenbeschwerden zum Arzt geht, wird ausschließlich auf den Magen hin untersucht, auch wenn einige psychosomatisch orientierte Ärzte durchaus auch andere Faktoren miteinbeziehen. Behandelt wird ebenfalls nur der Magen - mit therapeutisch oft zweifelhaften Mitteln.

Die Isolation eines Symptoms aus dem Gesamtzusammenhang die Krankheit „einkreisen, mit gezielten Waffen gegen sie vorgehen und sie schließlich vernichten“ -, sowie die Behandlung mit isolierten und aggressiven Mitteln gehört zum zumeist selbstverständlichen Repertoire eines Arztes. Freilich sollen die Errungenschaften der Schulmedizin damit nicht diskreditiert werden. Nach einem Heilpraktiker dürfte auch kaum jemand verlangen, der mit gebrochenen Knochen, einem Lungenriß oder einer akuten Infektion darniederliegt. „Derartiges gehört auch nicht zu unseren Aufgaben“, so der Pressesprecher des Landesverbandes Deutscher Heilpraktiker in Nordrhein-Westfalen, Hans-Joachim Engels. „Wir kennen unsere eigenen Grenzen. Allerdings auch unsere Vorteile.“

„Für die sind wir

Laien und Kurpfuscher“

Die Erfahrungsheilkunde geht im Gegensatz zur Schulmedizin vom ganzen Menschen aus. Beschwerden oder eine Erkrankung werden deshalb auch als Ausdruck eines disharmonischen Zusammenspiels aller dem Menschen innewohnenden Kräfte betrachtet. Und diese Disharmonie kann je nach individueller Konstitution bei dem einen zu Magenbeschwerden, beim anderen zu Migräne führen.

Wo und wie der jeweilige Patient buchstäblich aus dem Gleichgewicht geraten ist, das ist Aufgabe des Heilpraktikers herauszufinden. Und das kann dauern. Auch deshalb gehen viele Menschen mit ihren alltäglichen Beschwerden lieber zum Heilpraktiker als zum Arzt: Er redet mit ihnen, er hat Zeit. Und er behandelt sie mit nur einem Mittel, eines, das so exakt wie möglich auf den Menschen und seine speziellen Symptome zugeschnitten ist.

„Wenn ich so sehe, was manche Ärzte, die selber Naturheilkunde praktizieren, ihren Patienten so alles einverleiben“, so Engels, „kann man sich nur an den Kopf greifen. Nicht nur daß homöopathische Mittel in den abstrusesten Mischungen und in verschiedenen Potenzen verabreicht werden, dazu gibt es dann auch noch, damit nichts schiefgeht, diverse Kräuter.“ Das widerspräche jeglichen naturheilkundlichen Prinzipien. „Vor Kurzausbildungen, beispielsweise ein Wochenende in Homöopathie, kann ich nur warnen. Was wir in einer intensiven Ausbildung während drei Jahre lernen, kann man sich nicht in drei Tagen aneignen.“

Die Argumente gleichen sich. Doch im Gegensatz zu Heilpraktikern dürfen Ärzte durchaus ohne fundiertes Wissen mit deren Methoden arbeiten. Eine Kooperation beider heilenden Berufe, bei der jeder seine Kompetenz zum Wohle des Patienten einbringt, steht offenbar noch in weiter Ferne. „Mediziner fühlen sich in ihrer Ehre gekränkt, wenn ein Patient um die Hinzuziehung eines Heilpraktikers bittet.“ so Engels. „Für die sind wir Laien und Kurpfuscher.“

Der umgekehrte Hinweis, daß es auch bei Ärzten so manches schwarze Schaf gibt, dürften sich Heilpraktiker aber kaum erlauben. Ärzte haben schließlich eine ordentliche Ausbildung. Und die Wissenschaft macht keine Fehler.

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