: Jelzin russischer Präsident
■ Mehrheit im dritten Wahlgang / Gorbatschow-Favorit Wlassow fiel durch / Koalitionsregierung?
Moskau (ap) - Gorbatschow-Gegner Boris Jelzin hat es geschafft: Im dritten Wahlgang schaffte er gestern die Wahl zum Präsidenten der Russischen Föderation. Der Volksdeputiertenkongreß dieser größten Republik der Sowjetunion bestimmte ihn in Moskau mit 535 Stimmen für das Amt. Der 59jährige Politiker erhielt damit vier Stimmen mehr, als für den Sprung auf die neue Plattform in der Dauerfehde mit Gorbatschow notwendig gewesen wären. Auf seinen schärfsten Rivalen, den russischen Ministerpräsidenten Alexander Wlassow, entfielen 467 Stimmen. Wlassow galt als Kandidat Gorbatschows. Jelzins vorheriger Gegenkandidat, der konservative Parteisekretär des südrussischen Gebiets Krasnodar, Iwan Poloskow, hatte am Montag nach zwei erfolglosen Wahlgängen am Freitag und Samstag das Handtuch geworfen.
Die radikalen Reformer um Jelzin treten für eine größere Eigenständigkeit der Russischen Föderation auch im politischen Bereich ein. Am Montag hatte Jelzin seinen konservativen Gegnern die Bildung einer Koalitionsregierung vorgeschlagen und dazu aufgefordert, eine mehrheitsfähige Vereinbarung auszuarbeiten. Er appellierte an die Volksdeputierten, den von der sowjetischen Regierung vorgelegten Plan zur Einführung einer regulierten Marktwirtschaft abzulehnen, der einschneidende Preiserhöhungen vorsieht. In der vergangenen Woche hatte Gorbatschow in die Debatte des Volksdeputiertenkongresses der Russischen Föderation eingegriffen und eine heftige Attacke gegen Jelzin geführt, der zuvor Pläne für die volle Souveränität Rußlands von der Sowjetunion entwickelt hatte. Der Kremlchef warf Jelzin vor, mit der Parole von der Wiederherstellung der Souveränität Rußlands zum „Zerschlagen der Sowjetunion“ aufzurufen. Porträt auf Seite 8
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