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Thema heute: Europas Knäste

Ab und zu entlädt sich die Wut. Dann klettern in den Gefängnissen von Fleury-Merogis, Manchester und Madrid die Häftlinge aufs Dach und fordern bessere Haftbedingungen. Wollen nicht mehr 23 Stunden am Tag in einer Zelle eingesperrt sein, haben die Ratten in der Behausung satt, fordern mehr Platz, mehr Besuche, mehr Anbindung ans Leben draußen. Die Öffentlichkeit horcht auf. Doch wenn die Knackis wieder von den Dächern klettern und durch wilhelminische und viktorianische Korridore in ihre Zellen zurückkehren, werden sie wieder vergessen. Resozialisierung haben die meisten Strafvollzugsbehörden als Ziel auf ihre Fahnen geschrieben.

Doch im Westen wie im Osten Europas ist der Knast selten mehr als eine reine Verwahranstalt. Herrscht in Westeuropa noch häufig der Rache- und Sühnegedanke vor und verbannt die Gefangenen in ihre Zellen, so wurden Delinquenten in den realsozialistischen Ländern als mögliche Systemfeinde betrachtet: der Verstoß gegen gesellschaftliche Regeln war gleichzeitig ein Vergehen gegen das Ideal vom sozialistischen Menschen. Während in Polen die Knäste vorsichtig demokratisiert werden, treten in Schweden die Konservativen gegen den „laschen Strafvollzug“ in den Ring. Dazwischen bleibt das systemüberschreitende Grau in Grau des Knastalltags.

taz

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