: Blockübergreifend für „Dritte Welt“?
■ Nach der veränderten Ost-West-Konstellation ergeben sich für die beiden ehemaligen Kalte-Krieg-Gegner Möglichkeiten der Zusammenarbeit in der Nord-Süd-Problematik
Auf der Tagesordnung des Gipfels stehen nicht nur Ost-West -Fragen. Zwar sind die großen Streitpunkte der Vergangenheit - Nicaragua, Afghanistan, südliches Afrika - weitgehend ausgeräumt. Doch haben sich in anderen Bereichen neue Konstellationen ergeben. So zum Beispiel in der Nahostpolitik, insbesondere wegen der durch die Masseneinwanderung sowjetischer Juden nach Israel ausgelösten Destabilisierung einer ohnehin zum Zerreißen angespannten Lage. Während die Sowjetunion darauf verweist, daß sie den Juden das Recht auf Ausreise nicht mehr nehmen könne, fordern die arabischen Staaten eine Reduzierung des Zuzugs. Der mögliche Ausweg: eine verstärkte Bereitschaft der USA und anderer westlicher Staaten, Emigranten aufzunehmen. Die USA jedoch wollen gerade die Quote für sowjetische Zuwanderer drastisch kürzen. So ergibt sich eine Umkehrung der bisherigen Gipfeldiskussionslage: Früher wurde über die Zahl der Juden gesprochen, die die UdSSR verlassen durften; heute geht es darum, wieviele in die USA hineingelassen werden.
Auch zu Fragen der „Dritten Welt“ ergibt sich eine Problemverschiebung. Während die dortigen Krisen früher unter dem Stichwort „regionale Konfliktlösung“ diskutiert wurden, sind sie diesmal wegen der obsolet gewordenen Ost -West-Dimension eher ausgeklammert worden. Es mehren sich jedoch Forderungen, die bisherige Rivalität in eine gemeinsame Bereitschaft zur konkreten Hilfe umzuwandeln. So liegt dem Gipfel ein Forderungskatalog von US -Kongreßabgeordneten und Hilfsorganisationen zu Äthiopien vor. Danach sollen die USA und die UdSSR gemeinsam einen sofortigen Waffenstillstand zwischen der äthiopischen Regierung und den Aufständischen fordern. Beide Staaten sollen mit der UNO zusammenarbeiten, um Hilfsgüter in die vom Hunger bedrohten Regionen zu bringen und jegliche militärische Unterstützung der Konfliktparteien zu verhindern. „Volle Aufmerksamkeit“ sollten die beiden Präsidenten der „todernsten“ Situation in Äthiopien widmen, erklärte der Abgeordnete Tony Hall. 3,5 Millionen Äthiopier seien dieses Jahr vom Hungertod bedroht.
Dominic Johnson
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen