: DSU will Minister Diestel ausschließen
■ Der Streit um den Innenminister verschärft sich / Diestel stellt seinerseits Strafantrag gegen Fraktionskollegen / Partei fordert erneut Rücktritt / Der frühere VS-Chef Hellenbroich bricht für den DSU-Mann eine Lanze
Berlin (taz) - Der Konflikt um Innenminister Peter-Michael Diestel (DSU) spitzt sich weiter zu: Die eigenen Kollegen stellten gegen den DSU-Mann einen förmlichen Antrag auf Parteiausschluß - Diestel antwortete mit einer Verleumdungsklage. Einen Rücktritt schloß Diestel aber kategorisch aus. Stein des Anstoßes ist nach wie vor die Vorgehensweise des Ministers, der eine Reihe von früheren Stasi-Mitarbeitern in seinen Geschäftsbereich übernommen hat.
Der „schwarze Peter“ heizte am Dienstag Nachmittag den Konflikt um seine Person weiter an: Ausgesprochen sauer reagierten die DSU-Parteimannen, als Diestel eine Sondersitzung seiner Fraktion im Reichstag vorzeitig verließ, um den Kollegen von der PDS seine innenpolitischen Grundsätze zu erläutern. Argumentativen Mangel schrieb noch am selben Abend der DSU-Fraktionschef Hansjoachim Walther dem Minister ins Stammbuch. Diestel habe nichts vorbringen können, damit die Fraktion „seine weitere Tätigkeit tragen könnte“ - Fazit: die erneute Rücktrittsforderung. Laut Walther liegen auch schon Parteiausschlußanträge gegen Diestel vor. Öffentlich wiederholte der Innenminister gestern sein Credo: „Ich habe einen Auftrag zu erfüllen. Davon lasse ich mich auch von meiner Fraktion nicht abbringen.“ Eher werde er aus der Partei austreten, als seinen Ministerposten an den Nagel zu hängen. Seine Devise heiße „Harmonie oder Trennung“. Eine andere Partei käme für ihn allerdings nicht in Frage, gegebenenfalls werde er als parteiloser Minister weiterarbeiten. Diestel selbst sieht sich als „exemplarisches Opfer“ der Geschichtsaufarbeitung. Deshalb habe er auf dem einzig „rechtsstaatlichen Weg“ gegen das DSU-Mitglied Strafantrag erstattet, das ihn in die Nähe einer Stasi-Mitarbeit gerückt habe. Den Namen des betreffenden Parteifreundes wollte er nicht preisgeben.
Mit „Genugtuung“ nahm die FDP die erneute Rücktrittsforderung der DSU-Fraktion zur Kenntnis: Die Anstellung hoher MfS-Funktionäre im Innenministerium könne nur zu weiteren Beunruhigungen in der Bevölkerung führen.
Dem wackelnden Minister sprang unterdessen der frühere Verfassungsschutzpräsident Hellenbroich zur Seite. In einem Interview unterstützte er Diestels Vorgehen, ehemalige Stasi -Mitarbeiter in den Staatsdienst zu übernehmen. Die rund 85.000 Bediensteten des MfS könnten schließlich „nicht einfach nach Hause geschickt“ werden.
Diestel stellte gestern auch die sieben Mitglieder der Regierungskommission - darunter die Schriftsteller Heym und Janka - vor. Sie sollen der weiteren Stasi-Auflösung „beratend zur Seite stehen“.
Wolgang Gast Siehe Kommentar Seite 10
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