: Bei Rot-Grün am Prenzelberg kriselt's
■ Ein Bürgergespräch in Prenzlauer Berg wurde überraschend zum Wählerforum nach der Wahl / Kompetenz der beiden Anwärter für den Ratsposten „Bauen und Wohnen“ stand zur Debatte / SPD verhandelt mit der CDU / SPD-Fraktion entscheidet in der nächsten Woche
Prenzlauer Berg. „Der Amtsschimmel kümmert sich um sich selbst“ hatte auf dem einladenden Plakat der Bürgerinitiative Rykestraße gestanden. Der Kampf gegen das schwerfällige Tier hat für die Bürgerbewegungen gerade erst begonnen, wurde dann am Mittwochabend im Mieterladen am Kollwitzplatz deutlich. Das Gespräch zum Projekt Rykestraße wandelte sich überraschend in eine hitzige Debatte über die Kompetenz zweier konkurrierender Kommunalpolitiker.
Eigentlich wollten die Leute von der Bürgerinitiative Rykestraße und von anderen Bürgerkomitees mit Kommunalpolitikern über ihr Projekt reden. In der Rykestraße wagten sie schon 1988 Aufmüpfigkeit gegen die Abriß -Absichten der damaligen Hierarchie, was durchaus nicht ungefährlich war - und setzten sich durch. Ein alternatives Erneuerungskonzept, gemeinsam mit dem Büro für Städtebau und dem Hauptauftraggeber Prenzlauer Berg erarbeitet, wurde im Oktober 1989 der Öffentlichkeit vorgestellt und später vom Magistrat bestätigt.
Inzwischen ist Schweigen im Amtswalde. Mit dem Treffen am Mittwoch sollte es gebrochen werden. Aber die Plätze der KWV -, Rats- und MagistratsmitarbeiterInnen blieben leer. Manche Eingeladene saßen gerade in Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Bündnis 90. So standen die beiden anwesenden Abgeordneten eben dieser Fraktionen besonders im Zugzwang, sich zu den Vorschlägen der Bürgerinitiative sachkundig zu äußern. Zumal alle beide, Matthias Klipp (Bündnis 90) und Peter Förster (SPD), Anwärter für den Posten des künftigen Stadtbezirksrats für „Bauen und Wohnen“ sind.
Die Vorschläge der Bürgerinitiative beziehen sich zum einen auf eine städtebauliche Leitplanung im Gebiet Dimitroffstraße/Prenzlauer Allee/Metzer Straße/Schönhauser Allee, die rasch in Auftrag gegeben werden soll. Zum anderen wird für das Quartier Rykestraße (Wohnbezirk 65) ein Pilotprojekt „Mieterberatung“ vorgeschlagen. Das hieße, neben einer oder zwei vom Rat bezahlten Stellen schnell mit der Sanierung nach der vorhandenen Konzeption zu beginnen.
Matthias Klipp vom Bündnis 90 argumentierte als Beteiligter. „Wir vom Bündnis kommen ja aus den Bürgerinitiativen“, er zum Beispiel aus der Oderberger Straße. In der Rykestraße könne man sofort mit der Arbeit anfangen. Wo schon ein Konzept vorliege und die Mieter zur Mitarbeit bereit seien, dürfe man nicht zögern. Seine Aufgaben als eventueller Stadtbezirksbaurat sehe er darin, Nutzungsverträge für die Häuser abzuschließen, zu überprüfen, warum die KWV solche Verträge blockiert und Selbsthilfegruppen in die Sanierung einzubeziehen.
Der SPD-Anwärter für den Bauratsposten, Peter Förster, sah etwas blaß aus. Er sei dabei, sich sachkundig zu machen, habe aber „eine positive Haltung“ zu den Bürgerinitiativen. Man müsse erst den Wohnungsbestand und die Finanzen analysieren. Die Antwort befriedigte nicht. „Recht dünn“, kommentierte sie ein Vertreter aus der Rykestraße. „Wir haben schließlich schon eine Menge vorgedacht, worauf man aufbauen kann.“ Empört über die sichtliche Uninformiertheit Försters forderte ihn einer aus der Runde auf, sich den Wunsch nach diesem, „wie Sie sehen, sehr schwierigen“ Posten noch mal zu überlegen.
Schlagabtausch zwischen den beiden Abgeordneten. „Wir von der SPD haben...“, „Wir vom Bündnis 90...“. Noch in der letzten Woche hatte die taz von beiden Fraktionen erfahren, daß sie eine Zusammenarbeit planten. In Prenzlauer Berg wäre ihre Koalition - die Grünen, den Unabhängigen Frauenverband und die Liberalen einbezogen - auch ohne die CDU mehrheitsfähig.
Matthias Klipp erklärte die veränderte Lage: „Wir streiten uns um das Ressort 'Bauen und Wohnen‘. Die SPD hat heute gedroht, mit der CDU zu verhandeln, wenn wir nicht zurücktreten.“
Der SPD-Spitzenkandidat in Prenzlauer Berg, Manfred Dennert, bestätigte gestern, daß mit der CDU verhandelt wird. Ob die SPD vielleicht doch zugunsten der rot-grünen Verbindung auf den Posten „Bauen und Wohnen“ verzichten würde? - Er könne der Fraktionsentscheidung, die am kommenden Dienstag fallen solle, nicht vorgreifen.
Die Meinung Günter Klemmers vom Bündnis 90 dazu: Für einige Mitglieder von Demokratie Jetzt und von den Grünen sei unbedingt vorrangig, daß die Koalition zustandekommt. An dem einen Ressort dürfe das nicht scheitern. Einig sei man sich aber im Bündnis 90 noch nicht. Heute wird von neuem mit der SPD verhandelt.
Die Leute von den Bürgerinitiativen haben nicht die Absicht, unterdessen stillzuhalten. „Wir dürfen einfach nicht lockerlassen“, sagte Achim Wilhelm vom Bürgerkomitee „Helmholtzplatz“. Neben einer Unterschriftensammlung unter dem Versammlungsbericht, in dem Förster Inkompetenz bescheinigt wird, wollen sie sich am 7. Juni bei der konstituierenden Stadtbezirksversammlung Gehör verschaffen. Tags zuvor, um 17 Uhr im Mieterladen, treffen sich alle, die bei der Aktion mitmachen wollen.
Susanne Steffen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen