Sorge wegen Täter-Opfer-Ausgleich

■ Betr.: „Bremer Hilfe will neue Wege...“, taz vom 9. Mai

Liebe taz-lerInnen! Mit Verärgerung und Besorgnis entnahmen wir dem Artikel vom 9.5.90, daß das Konzept des Täter-Opfer -Ausgleichs der Bremer Hilfe vom Diebstahl bis hin zur Vergewaltigung angewandt werden soll. Bei weniger schwerwiegenden Delikten kann es vor allem bei jugendlichen Straftätern pädagogisch wertvoll sein, wenn ein Täter die Tragweite seiner Handlung erlebt. Bei einer Vergewaltigung hilft es weder der Frau noch dem Mann, wenn sie miteinander konfrontiert werden. Eine Vergewaltigung hat derart tiefgreifend traumatisierende Folgen für eine Frau, daß es nicht möglich ist, mit pädagogischen Maßnahmen eine Verarbeitung zu erreichen. Wir halten dies im Gegenteil für äußerst gefährlich. Die Frau wird noch einmal zum Opfer, weil sie für den Verarbeitungsprozeß des Täters funktionalisiert wird. Es ist gerade für eine Vergewaltigung typisch, daß der Täter in der Frau eben nicht ein Subjekt oder eine eigenständige Person sehen kann. Diese Fähigkeit kann allenfalls am Ende eines langwierigen therapeutischen Prozesses stehen. Auch wenn wir uns keine Illusionen darüber machen, daß Gefängnisstrafen in irgendeiner Weise zur „Besserung“ des Täters beitragen - im Gegenteil -, so halten wir es doch für wichtig, daß Vergewaltigung weiterhin ein strafwürdiges und zu bestrafendes Delikt bleibt. Wir haben den Verdacht, daß vergewaltigte Frauen hier als Aushängeschild für eine Maßnahme mißbraucht werden, um eine erhöhte Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu erreichen. Viele Grüße!

Christa Rödel, Miarbeiterin im Projekt „Notruf und Beratung für vergewaltigte Frauen und Mädchen e.V.“