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Poll-Tax-Chaos auf dem Lande

■ Mammutprozeß platzt wegen Englands langsamer Post

Sowas konnte auch nur einem englischen Gericht einfallen: 3.800 Kopfsteuerboykottierer in der beschaulichen Gemeinde Medina auf Südenglands Freizeitinsel Isle of Wight sollten letzten Freitag im Landgericht des verschlafenen Newport antreten und abgeurteilt werden. Wer die englischen „Magistrate's Courts“ kennt, in denen lokale Größen als Laienrichter den ortsüblichen Kleinkram aufklären, kann sich die Szene vorstellen: Hunderte aufgebrachter Poll-Tax-Gegner begehren gleichzeitig Einlaß in den Gerichtssaal, der Richter erklärt, politische Aussagen seien nicht zugelassen, es erfolgt Tumult auf den Bänken und die polizeiliche Räumung des Saals. Trotzdem wurden an diesem Tag 57 Einzelfälle verhandelt, bevor der Massenprozeß vollständig zusammenbrach. Ein 28jähriger Sozialarbeiter namens Tony Harrison wies dem Gericht nach, daß die Gerichtsvorladungen allesamt ungültig waren. Wieso? Sie waren mit der notorisch langsamen britischen „Second Class„-Post verschickt worden und hatten deshalb die im englischen Recht vorgeschriebene Zwei-Wochen-Frist zwischen Vorladungserhalt und Verhandlungstermin verpaßt. Der Prozeß platzte, der Richter lud der Gemeinde die Kosten auf, und die Prozeßbeteiligten wanderten beglückt in die nächste Kneipe.

Unter den angeklagten Boykotteuren befand sich der Sohn des Bürgermeisters von Medina sowie einer der drei Vorsitzenden der britischen Grünen Partei, David Icke, der auf der Insel zu Hause ist. Seine Frau Linda erklärte, die Protestler seien allesamt „normale Menschen mit Familien“. Über diesen Aspekt der Sache ist eine andere Boykottaktivistin allerdings wenig beglückt. Ihr Mann ist gesetzestreuer Polizist und hat ihre Poll-Tax-Rechnung gleich mitbezahlt.

Dominic Johnson

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