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DIN-A-SWING

■ „Sophisticated Ladies“ im Theater des Westens

„Aus der Vielzahl bedeutender Ehrungen ragen eine ihm (Ellington) von der Republik Togo gewidmete Briefmarke und der 'besondere päpstliche Segen‘ Papst Pauls VI. heraus.“ (Jazzlexikon)

Das wirkliche Berlin ist draußen. Diffus leuchtet rosa im Regen das Sexkino. Innen stützen griechische Skulpturen die Ränge, prahlen liegend von ihrer weißen Nacktheit. An der Decke stürmen Figuren in den stürmischen Kitschhimmel. Herzen und Augen in die Höh. Von oben herab kommen makellos neonleuchtende Schilder und Zeichen als Kindertraum von der Großstadt. „Cotton Club“, „Motel“, „Hotel“ sind die Überschriften der Lebensnummern Duke Ellingtons im 1981 am Broadway uraufgeführten Musical; serielle Fragmente, in denen sich alles und nichts wiederfinden läßt, geschichtslos wie die Fernsehfolgen, die die amerikanische Hausfrau, nebenbei ununterbrochen laufen läßt, den alltäglich drohenden Depressionen zu trotzen.

Die Moral von Sophisticated Ladies ist, daß Geld und Ruhm nicht so recht glücklich machen, weil immer etwas fehlt „to live for„; der Lebenssinn, die liebende Frau, die bleibt, wenn erkannt wurde, daß die anderen Girls mehr oder weniger als Herz wollen. Sentimentalität entsteht infolge dieser Austauschbarkeit, und wer nicht ins Programm geguckt hat, merkt nicht, daß es um Ellington, nicht einmal vielleicht, daß es um irgendeinen geht.

Sophisticated Ladies kommt ohne Zwischentexte aus; 32 Ellingtonnummern werden aneinandergereiht, getanzt, gespielt, gesungen vor der Big Band, der doch der echte Swing fehlt. Hurtig eilen Stereotypen vorbei, eingefleischte Lächeln reihen sich als Grinsmaschinchen aneinander; lustige Synchronien, parallele Bewegungen der TänzerInnen, verweisen auf den Zusammenhang des Musicals mit der industriellen Normproduktion. Alan Weeks als Duke, der Star der Truppe, macht mit sonorer Stimme den Tanzbären; Keith Bennett den Solostepper; mit Snare-Geräuschen, wenn er zwischendurch mit den Schuhen kurz rutscht. Umringt von weich mit dem Becken kreisenden Dschungelfrauen, tanzt ein Showneger aus den 20er Jahren mit herumwirbelndem Affenschwanz. Schwarz-weiß -Typisierungen fügen sich aneinander. Sonya Hensley ist als elegante Frau mit geglätteten Haaren a la Liza Minelli Bild der Verleugnung schwarzer Identität. Eine New Yorker Kollegin meinte sogar, im ersten Teil trügen alle schwarzen Frauen Perücken. Und die Weißen tanzen mal wieder schlecht. Die Femme Fatale, die wasserstoffblonde Nita Moore, hat nur ordinären Sex-ohne-secret zu bieten, auch wenn sie später ganz wunderbar qietschend singt.

Zwei Stunden Modenschau, Ballett und Tanz, von den zwanziger bis zu den sechziger Jahren und ein paar Einfälle: vier zusammengekauerte Männer in gelben Gummianzügen mit großen runden Lichtern an den Knien ergeben ein gelbes Box -Auto, auf dem der Duke singend über die Bühne getragen wird; in einer anderen Nummer rollen Plastikaugen in Spielgläsern, die auf den Busen der Tänzerinnen befestigt sind, und werfen den männlichen Blick zurück, der sich begehrlich auf sie heftet. In perfekter Pantomime wird ein Pokerspiel mit allem männlichen Hinterzimmerpathos inszeniert. Doch zusammenhanglos bleiben diese Szenen zurück. Nie gibt es Momente der Stille, die sie voneinander abgrenzen könnten. Und wo Stille sein könnte, wird sie mit überflüssigen Faxen und Staun-Nummern aufgefüllt.

Bei aller Perfektion in Stimme, Tanz, Bewegung fehlt der Show der dramaturgische und erzählerische Zusammenhang, die Vielschichtigkeit, die präzis kalkulierten Distanz-Nähe -Muster, die Vergleichbares, wie das Fats-Waller-Musical Harlem Swing zum großen Theater machten. Und draußen wieder wird das konkrete Paradies des Lichterglanzes von der Wirklichkeit des Berliner Regens ersetzt.

Detlef Kuhlbrodt

Noch bis zum 11. Juni (außer heute) täglich 20 Uhr im Theater des Westens, Kantstraße 12.

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