piwik no script img

Nur bei Frauenpolitik flogen Akten durch den Raum

Nach nur drei Wochen sind die rot-grünen Verhandlungen in Niedersachsen erfolgreich beendet worden / SPD-Parteichef Bruns und Grünen-Unterhändler Kempmann bleiben lieber in ihren Fraktionen / Ministerpräsident in spe, Schröder, lobt das „angenehme Klima“  ■  Aus Hannover Jürgen Voges

Telefon und Telefax in der grünen Landtagsfraktion standen nicht still an diesem letzten Tag der Koalitionsverhandlungen mit der SPD. Standhaftigkeit, kein Abrücken von den grünen Ressortforderungen forderte die grüne Basis immer wieder von ihrer Verhandlungskommission. Doch dann kam es am Donnerstag abend genauso, wie es in zahlreichen Kreisverbänden der niedersächsischen Grünen befürchtet worden war. In Vierergesprächen, die immer wieder von internen Beratungen unterbrochen wurden, hatten sich Gehard Schröder und sein Landesvorsitzender Johann Bruns mit den Fraktionsspitzen der Grünen Thea Dückert und Hannes Kempmann auf das Frauen- und Bundesratsministerium als Ressorts der Grünen geeinigt. Ein Verkehr, Städtebau und Landesplanung umfassendes Raumordnungsministerium, mit dem die Grünen die Basisforderung „eigenständige Vertretung im Umweltbereich“ noch hatten durchsetzen wollen, war auf strikte Ablehnung der SPD gestoßen. Die Koalitionsgespräche vertagen oder unterbrechen wollte die grüne Verhandlungskommission nicht mehr - und dies wohl auch, weil der Druck der Kreisverbände immer spürbarer wurde.

„Die Grünen werden in der Frauen- und Umweltpolitik eigenständig vertreten sein“, versuchte dann Gerhard Schröder am Donnerstag abend dem kleinen Koalitionspartner das Ergebnis so schmackhaft wie möglich zu machen. Für die Ressorts Frauen- und Bundesrat hätten die Grünen das Vorschlagsrecht, sagte der künftige Ministerpräsident. Nach harten Auseinandersetzungen habe man sich darauf geeinigt, daß die Grünen auch den Staatssekretär im Umweltministerium stellen könnten. Dieser solle im Einvernehmen mit der SPD berufen werden. In das grüne Bundesratsministerium werde die SPD einen Staatssekretär entsenden. Neben der Staatssekretärin im Frauenministerium werde es noch eine grüne Staatssekretärin im Kultusministerium geben.

Die Namen der SPD-Minister und -Ministerinnen, die schon länger feststehen, hatte Gerhard Schröder nur zu wiederholen. Den Posten des stellvertretenden Ministerpräsidenten, den Ernst Albrecht noch seinem FDP -Koalitionspartner überlassen hatte, soll der künftige SPD -Innenminister Gerhard Glogwoski bekleiden. Natürlich wird die parteilose Monika Griefahn Umweltministerin. Auf Drängen der Grünen mehr Kompetenzen als von der SPD vorgesehen erhält die ebenfalls parteilose Helga Schuchardt. Sie wird jetzt nicht nur Ministerin für Kultur und Medien, sondern auch für Wissenschaft. Damit bleibt wie bisher das für den SPD-Bildungsexperten Rolf Wernstedt vorgesehene Kultusministerium ein Schulressort. Finanzminister solle anstelle des SPD-Landesvorsitzenden Johann Bruns, der sich den streßärmeren Job des SPD-Fraktionsvorsitzenden ausgesucht hat, der SPD-Landrat des Landkreises Aurich, Hinrich Swieter werden. Mit Heidi Alm-Merk für Justiz, dem VW-Betriebsratsvorsitzenden Walter Hiller für Soziales, dem hannoverschen Dezernenten Peter Fischer für Wirtschaft und dem agrarpolitischen Sprecher der Sozialdemokraten, Karl -Heinz Funke, für Landwirtschaft bleibt es ansonsten bei den SPD-Ministern, die auch schon vor der Wahl Schröders Schattenkabinett bildeten.

Schröder zeigte sich noch einmal „angenehm überrascht über die freundliche Atmosphäre während der gesamten Koalitionsverhandlungen“. Richtig gekracht hat es in diesen harmonischen drei rot-grünen Verhandlungswochen wohl auch wirklich nur einmal. Als Christa Karras für die grüne Verhandlungskommission die frauenpolitischen Forderungen vortrug, flogen nach einiger Zeit Akten durch den Raum von Gerhard Schröder, der für die SPD den Verhandlungspunkt Frauenpolitik höchstpersönlich übernommen hatte. Daß sie Gerhard Schröder etwa mit ihrem Insistieren auf der Streichung des Paragraphen 218 zur Flucht aus dem Raum und zum Trost bei einer Flasche Wein getrieben hatte, stärkte dann aber auch bei den Grünen nicht die Position der Frauenministerkandidatin Christa Karras. Auf Jürgen Trittin und Waltraud Schoppe als die ministrablen Grünen hatten sich Verhandlungskommission und grüner Landesvorstand schon am Mittwoch abend geeinigt. Christa Karras ist allerdings jetzt wieder als künftige grüne Staatssekretärin im Frauenministerium im Gespräch.

Gleich nach Abschluß der Verhandlungen hat der Landesvorstandssprecher der Grünen, Kurt Dockhorn, die beschlossene Verteilung der Posten im Kabinett „ein Diktat der SPD“ genannt, das er jedoch aufgrund des schlechten Wahlergebnisses der Grünen für objektiv nicht vermeidbar hielt. Seine Kollegin Silvia Fischer-Grösch, ebenfalls Vorstandssprecherin, verdammte gestern dann öffentlich das gesamte Verhandlungsergebnis als unakzeptabel. Man kann also der Landesversammlung der Grünen am 17. Juni in Hannover, die über das rot-grüne Paket aus Inhalten und Posten zu entscheiden hat, noch mit einiger Spannung entgegensehen auch wenn wohl kaum mit einer Ablehnung der Koalitionsvereinbarung zu rechen ist. Der Sprecher der Verhandlungskommission, Jürgen Trittin, sprach bei der Vorstellung des Verhandlungsergebnisses auch von einigen inhaltlichen Kröten, die die Grünen hätten schlucken müssen. Der Verfassungsschutz solle nicht aufgelöst, sondern nur reduziert werden.

Kompromisse hätten die Grünen auch beim Bau bestimmter Straßen eingehen müssen, und schließlich hätten sie unter bestimmten Voraussetzungen der von ihnen bekämpften Weltausstellung in Hannover zugestimmt. In der Atompolitik habe man demgegenüber das durchgesetzt, was überhaupt auf Landesebene möglich sei, lobte Trittin dann allerdings auch die rot-grüne Vereinbarung. Wenn der atompolitische Teil umgesetzt wird, würde dies den Ausstieg aus der Atomenergie auch außerhalb Niedersachsens auf den Weg bringen.

Tatsächlich gäbe es wohl gute Chancen zur Umsetzung der vereinbarten Ausstiegspolitik, wenn der Wunschkandidat der Grünen den Posten des Umweltstaatssekretärs übernehmen würde. Auch die Sozialdemokraten hätte gegen Rainer Geulen als Staatssekretär von Monika Griefahn nichts einzuwenden. Nur der Berliner Rechtsanwalt selbst zögert noch, die Interessen der Anti-AKW-Bürgerinitiativen, die er bisher nur vor Gericht vertreten hat und denen er auch einiges verdankt, nun im Staatsdienst wahrzunehmen. Auch die Leitung der Atomabteilung im Umweltministerium wollen SPD und Grüne, wie im übrigen alle Leitungspositionen, nur „im Einvernehmen“ neu besetzen. Die personellen Voraussetzungen für eine konsequente niedersächsische Ausstiegspolitik könnten die Grünen also schaffen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen