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Rebound der echten Amateure

■ Halles Frauen und die Männer der BSG Berlin holten den Basketball-Pokal des DDR-Sportbundes (DTSB)

Ost-Berlin.Zugegeben: Ich bin Mitarbeiter einer Schreib- und Leseanstalt, meine Chefin beobachtet mich, ja, schanzt mir manchmal Aufträge zu, die sich auch in der Zeit einer Fußball-Weltmeisterschaft vom Üblichen auf interessante Art und Weise abheben. Nun, das sportliche Topereignis dieses Wochenendes, über das es zu berichten gilt, war zeifellos das Finale der DDR-Basketballer um den DTSB-Pokal.

Die beiden absoluten Spitzenteams sowohl aus dem Frauen als auch aus dem Männerbereich hatten sich qualifiziert, doch, o weh, welcher Beelzebub hatte die Veranstalter geritten, die ganze Angelegenheit in aller Frühe um halb elf beginnen zu lassen? Für somnophile Menschen eine überaus harte Belastungsprobe, zusätzlich erschwert durch den Schmuddelregen, welcher den Weg zur Halle am Stadion der Weltjugend begleitete.

Und daß Basketballfans zu den vernünftigeren Menschen zählen, zeigte sich beim ersten Blick in die Halle: So ziemlich alle waren im Bett geblieben. Das Ambiente der Halle, welches mit nacktem Stahlbeton und knarrendem Parkett doch arg an militärische Staub- und Schwitzkästen erinnerte, verhalf auch nicht, die allgemeine Morosität zu lindern, doch die gut 80 Fans, gebildet aus Funktionären, Familienangehörigen und den gerade nicht spielenden Finalisten sowie einigen Insidern, gaben wirklich ihr Bestes.

Eigentlich sollte es die Tränen in die Augen treiben, wie es um den Basketball im DBV der DDR bestellt ist. Seit 1969 ist dieser Sport aus der staatlichen Leistungsförderung gestrichen, was zur Folge hatte, daß die DDR-Basketballer international nur drittklassig sind. Aber immerhin: Hier lebt noch der echte Amateursport. Fast alle der Spitzenspielerinnen und -spieler sind voll berufstätig und können nur relativ wenig nebenbei trainieren.

Kein Wunder, daß sich die Leistungsspitze nur auf je zwei Klubs konzentriert. Bei den Frauen sind dies die SG KPV 69 Halle und HSG Humboldt-Universität Berlin. Erstere gewannen nach Verlängerung knapp mit 64:63. Bemerkenswert war neben der großen Spannung der geringe Wuchs der Spielerinnen von meist weniger als 1,80 Metern.

Bei den Herren standen schon eher die gewohnten vertikalen Proportionen zur Verfügung. Allerdings veranstalteten die BSG AdW Berlin und HSG TU Magdeburg/Leipzig (85:63) ein weniger unterhaltsames Spielchen. Um es deutlicher zu machen: Während Grover Washington jr. seine Begeisterung über das Spiel seines Kumpels „Mr. Magic“ Johnson, dem Megastar des amerikanischen Basketballs, so richtig funky durchs Saxophon drückte, wäre hier selbst Roland Kaiser nichts mehr eingefallen.

Nun ist es aber auch so, daß die Stimmung im DDR-Basketball gelinde gesagt als trübe und lustlos zu bezeichnen ist. Zwar wurden jüngst Erfolge gegen Österreich und die U22 der BRD erzielt, aber es ist allen klar, daß die Ost-Basketballer in einem gemeinsamen Spielbetrieb gegen die West-Vereine spielerisch und vor allem finanziell keine Schnitte kriegten. Das Interesse von potentiellen und notwendigen Sponsoren ist dabei bisher so gering wie für Bezirksklassenmannschaften etwa in Bad Bevensen; Schuhe, Trikots und Hosen gibt's umsonst, aber Geld für die zur Spielverstärkung notwendigen Amerikaner nicht.

Genau so trübe ist der momentane Stand, was den Zusammenschluß der Verbände angeht: Nix genaues weiß man nicht. Eine Saison wird wohl noch getrennt ausgespielt, damit wohl auch ein fünftes Mal im nächsten Jahr um den Pokal geworfen, bevor es losgeht mit Werbung und Brimborium und es aus ist mit Familienatmosphäre und echtem Amateursport im DDR-Basketball. Schade eigentlich.

Nölnik

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