: Beifall von Industrie und Autolobby für Rot-Grün
■ Nach einem Jahr rot-grüner Mehrheit in der Wirtschaftsmetropole Frankfurt am Main ist nur die Basis der Grünen enttäuscht
Frankfurt (ap) - An der Börse herrscht nach wie vor geschäftiges Treiben, ihre Position als wichtigste in der Bundesrepublik scheint ungefährdet. Der Flughafen gewinnt als Verkehrszentrum in Europa noch immer an Bedeutung, die Weichen für den weiteren Ausbau sind schon gestellt. Und an der Messe wächst Europas höchstes Bürohochhaus seiner Vollendung entgegen: Ein Jahr nach der Wahl eines rot-grünen Magistrats im Bankenzentrum Frankfurt scheint der Rang der Stadt als die Wirtschaftsmetropole mindestens der Bundesrepublik ungebrochen.
Die Commerzbank hat gerade erst beschlossen, ihre Konzernzentrale ganz in die Stadt am Main zu verlegen. Und der ADAC bescheinigt Oberbürgermeister Volker Hauff, dem Gerede von der autofreien Innenstadt zum Trotz, mit seinen verkehrspolitischen Vorstellungen könne man durchaus leben.
Der Sozialdemokrat und ehemalige Bonner Verkehrsminister, mit dessen Wahl am 15. Juni 1989 der Römer nach zwölf Jahren absoluter CDU-Mehrheit wieder rot wurde, zieht eine zufriedene Bilanz seines ersten Jahres als Stadtoberhaupt am Main. Doch der Beifall ausgerechnet von Wirtschaft und Autolobby erscheint der Basis von Hauffs Juniorpartner, den Grünen, als eher zweifelhaftes Kompliment.
Viele von ihnen fragen sich, was sich denn eigentlich verändert habe in Frankfurt, und zeigen zunehmende Anzeichen von Ungeduld. Immerhin haben die Grünen kürzlich den Verzicht auf den Bau eines weiteren Bürogiganten am Hauptbahnhof durchgesetzt, der als „Campanile“ den Messeturm noch einmal um ein paar Meter Höhe übertreffen sollte. Doch die Lücke, die gerade bei der eigenen, rot-grünen Klientel zwischen dem hohen Erwartungsdruck nach der politischen Wende im Römer einerseits und der Machbarkeit andererseits herrscht, ist auch Hauff nicht entgangen.
„Nur nicht mehr versprechen, als wir nachher halten können“, war denn auch die Hauptbotschaft, die er dieser Tage in seinem kommunalpolitischen Situationsbericht vor der Stadtverordnetenversammlung vermittelte. Von der schnellen Schaffung einer autofreien Innenstadt ist denn auch keine Rede mehr. Nicht zuletzt aufgrund des Rats von Fachleuten haben sich Hauff und seine Mitstreiter im Magistrat dafür entschieden, mit der Verkehrsberuhigung der infarktgefährdeten Frankfurter Straßen lieber in den citynahen Wohngebieten zu beginnen. Insbesondere vor allen Schulen soll - gleich ob Haupt- oder Nebenstraße - demnächst Tempo 30 gelten.
Konsequent will der neue Magistrat auch den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs forcieren, um dem Autofahrer das Umsteigen auf Bus und Bahn zu erleichtern. Schließlich strömen tagtäglich rund 290.000 Pendler in die Stadt mit ihrem hohen Arbeitsplatzpotential, davon allein 200.000 mit dem Auto. Einen ersten Erfolg hat Hauff hier mit der Einführung einer übertragbaren und von der Stadt subventionierten Umweltkarte erzielt, die bereits eine deutliche Steigerung der Zahl an Fahrgästen in den S- und U -Bahnen sowie der vom neuen Magistrat reaktivierten Straßenbahn bewirkt hat. Auch die kürzlich eingeführten Nachtbusse werden gut angenommen.
Für noch wichtiger als die Verkehrsprobleme hält Hauff freilich die akute Wohnungsnot in Frankfurt, zu deren Behebung ausweislich der Volkszählung in den letzten Jahren weniger gebaut wurde als in allen anderen vergleichbaren Großstädten. Die rot-grüne Koalition hat sich das ehrgeizige Ziel von 4.000 neuen Wohnungen im Jahr gesteckt, das sie nach Hauffs Worten aber erst im nächsten Jahr erreichen dürfte.
Es knirscht kaum im Gebälk der rot-grünen Koalition in Frankfurt. Stolz und unverhohlen stellt Hauff daher das Frankfurter dem immer wieder vom Bruch bedrohten Bündnis in Berlin als leuchtendes Vorbild gegenüber. Allerdings hat er es mit den hundertprozentig realpolitischen Grünen der Mainmetropole auch leichter als sein Berliner Kollege Walter Momper mit der Alternativen Liste.
„Wir wollen ein Erfolgs- und kein Konfliktbündnis“, schallt es unisono aus dem Munde Hauffs wie auch der Grünen selbst.
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